Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Erwerbsminderung. Versicherungsrechtliche Voraussetzungen. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Für einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VII muss das Vorliegen einer zeitlichen Leistungsminderung (teilweise Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI oder volle Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI) zu einem Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, im Vollbeweis nachgewiesen sein.
2. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, so gestellt zu werden, als ob die zum Erhalt der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erforderlichen freiwilligen Beiträge entrichtet worden wären, setzt einem Kausalzusammenhang zwischen einer – möglichen – Pflichtverletzung eines Leistungsträgers und dem Verlust der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung zu einem späteren Zeitpunkt voraus sowie den Nachweis, dass die finanziellen Mittel für eine freiwillige Beitragszahlung zum damaligen Zeitpunkt zur Verfügung gestanden hätten.
Normenkette
SGB VI § 43
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23.01.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren hat.
Die Klägerin ist 1947 geboren; sie ist kroatische Staatsangehörige. In Deutschland war sie versicherungspflichtig beschäftigt im Zeitraum zwischen September 1969 und November 1977, von August bis Oktober 1992 und von August 1994 bis Juli 1996. Über kroatische Versicherungszeiten verfügt sie nach Auskunft des dortigen Versicherungsträgers vom 17.05.2005 nicht. Leistungen wegen Arbeitslosigkeit hat die Klägerin nach ihrer Rückkehr nach Kroatien dort nicht bezogen (Auskunft der kroatischen Anstalt für Arbeit vom 27.09.2005).
Am 20.05.1983 beantragte die Klägerin erstmals über den jugoslawischen Versicherungsträger Rente wegen "Invalidität" beim damals zuständigen deutschen Versicherungsträger (Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz). Diesen Rentenantrag lehnte der Versicherungsträger mit Bescheid vom 18.11.1985 ab, da die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit nicht gegeben seien; die Klägerin sei noch vollschichtig leistungsfähig. In dem anschließend von der Klägerin angestrengten sozialgerichtlichen Verfahren über das Sozialgericht Landshut (Urteil vom 22.01.1987, Az.: S 5 Ar 716/85.Ju) bis zum Bayerischen Landessozialgericht (Urteil vom 26.05.1988, Az.: L 16 R Ar 210/87) wurde die Ablehnung der Gewährung von Rente wegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit bestätigt, wobei Grundlage der gerichtlichen Entscheidungen mehrere (auf nervenärztlichem, chirurgisch-sozialmedizinischem und internistischem) Fachgebiet durchgeführte Begutachtungen, zum Teil nach Aktenlage, zum Teil nach persönlicher Untersuchung der Klägerin waren. Sämtliche Gutachter waren zu dem Ergebnis gekommen, dass eine zeitliche Leistungseinschränkung der Klägerin nicht vorliege (Gutachten vom 10.06.1986, 10. und 18.03.1988).
Am 09.05.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung über den kroatischen Versicherungsträger.
Mit Bescheid vom 18.07.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Ausgehend vom Datum der Antragstellung seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, da die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung keine Beitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorweisen könne.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 26.07.2005 Widerspruch ein und beanstandete, dass die Rentenablehnung erfolgt sei, ohne dass sie zuvor medizinisch begutachtet worden sei. Sie sei aufgrund von Folgen der langwierigen Krankheit unfähig geworden, irgendeine Arbeit oder Erwerbstätigkeit zu verrichten.
Die Beklagte erläuterte der Klägerin dazu, dass die Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden sei, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Es komme nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Erwerbsminderung vorgelegen habe; dieser Gesichtspunkt sei daher nicht geprüft worden (Schreiben vom 14.09.2005).
Auf Anfrage der Beklagten (vom 22.11.2005) bei der Klägerin, ob sie in der Lage gewesen wäre, 1988 einmalig circa 4000,- DM und ab diesem Zeitpunkt monatlich circa 100,- DM freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung zu zahlen, und diese Zahlungen auch geleistet hätte, wenn sie darauf hingewiesen worden wäre, dass damit der Versicherungsschutz aufrechterhalten werden könne, teilte die Klägerin mit, dass sie eine deutsche Hinterbliebenenrente in Höhe von 98,- € monatlich sowie eine kroatische Hinterbliebenenrente in Höhe von 250,- Kuna monatlich beziehe, was unter dem Lebensminimum sei. Sie bitte daher nochmals, medizinisch begutachtet zu werden, dam...