Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. Bemessungskriterien. Terminsdauer. Erörterung mehrerer formlos verbundener Verfahren. Annahme eines Anerkenntnisses nicht für Entstehen einer Erledigungsgebühr ausreichend
Leitsatz (amtlich)
1. Die Dauer des Termins ist nicht allein wesentliches Bemessungskriterium der Terminsgebühr. Sie ist (nur) bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit maßgebliches Kriterium, der bei der Bewertung der Terminsgebühr jedoch besondere Bedeutung hat (Fortführung der Rechtsprechung vom 21.1.2015 - L 15 SF 100/14 E).
2. Es begegnet keinen Bedenken, wenn in den Fällen, in denen aus der Sitzungsniederschrift nicht ersichtlich ist, wieviel Zeit die Erörterung der einzelnen formal verbundenen Verfahren jeweils in Anspruch genommen hat, die gesamte Verfahrensdauer durch die Anzahl der Verfahren geteilt wird.
3. Die Annahme eines Anerkenntnisses ist nicht ausreichend, um die Erledigungsgebühr auszulösen. Wie auch bei einer Klagerücknahmeerklärung liegt darin noch keine über die normale Prozessführung hinausgehende, qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung (Fortführung der Rechtsprechung vom 7.2.2011 - L 15 SF 57/09 B = JurBüro 2011, 476).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 22. September 2014 wird zurückgewiesen
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse (Beschwerdegegner) zusteht. Streitig sind die Termins- und die Erledigungsgebühr.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG), Aktenzeichen S 32 BK 59/10, ging es um die Rückforderung unter Vorbehalt gewährten Kinderzuschlags nach § 6a Bundeskindergeldgesetz. Am 21.10.2010 erhob der Kläger über seinen Bevollmächtigten, den Beschwerdeführer, Klage. Dem Antrag des Klägers auf PKH wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 27.10.2011 entsprochen; der Beschwerdeführer wurde beigeordnet. Am 24.11.2011 wurde dem Beschwerdeführer ein Vorschuss von 226,10 EUR ausbezahlt.
Nach erfolgter Akteneinsicht durch den Beschwerdeführer begründete dieser die Klage und verwies darauf, dass sich aus den vorliegenden Verdienstbescheinigungen ergebe, dass das anrechenbare Einkommen unter dem errechneten Gesamtbedarf liege. Nach Vorlage der Klageerwiderung verwies der Beschwerdeführer darauf, dass die Leistungszeiträume willkürlich gewählt seien; es sei angemessen, das tatsächlich erzielte Einkommen zugrunde zu legen.
Am 26.06.2013 fand die mündliche Verhandlung statt. Dabei wurden die Verfahren des Klägers mit den Aktenzeichen S 32 BK 1/09, S 32 BK 2/09, S 32 BK 40/09 und das gegenständliche Verfahren (S 32 BK 59/10) formlos miteinander verbunden; der Kläger wurde in allen Verfahren vom Beschwerdeführer vertreten.
Das gegenständliche Verfahren wurde durch angenommenes Anerkenntnis beendet. Die mündliche(n) Verhandlung(en) dauerte(n) von 11.50 Uhr bis 12.36 Uhr.
Mit Schreiben vom 02.07.2013 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe von insgesamt 774,69 EUR und die Auszahlung der Vergütung (im Hinblick auf den erhaltenen Vorschuss) in Höhe von 548,59 EUR. Der Beschwerdeführer legte dabei die folgenden Ansätze zugrunde:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102, 3103 VV RVG: |
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170,00 EUR |
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Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG: |
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200,00 EUR |
(str.) |
Erledigungsgebühr, Nr. 1002, 1006 VV RVG: |
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190,00 EUR |
(str.) |
Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG: |
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20,00 EUR |
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Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG |
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51,00 EUR |
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Tage- u. Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG: |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme: |
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651,00 EUR |
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19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG: |
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123,69 EUR |
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774,69 EUR |
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Mit Beschluss vom 21.05.2014 setzte die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Kostenbeamtin) des SG die Vergütung des Beschwerdeführers auf insgesamt 405,79 EUR (verbleibender Auszahlungsbetrag somit 179,69 EUR) fest. U.a. setzte die Kostenbeamtin die Terminsgebühr lediglich in Höhe von 80,00 EUR fest, da die Terminsdauer unterdurchschnittlich gewesen sei. Die durchschnittliche Verhandlungsdauer am SG betrage 30 bis 40 Minuten; demgegenüber habe die Verhandlung im Hinblick auf die vier formlos verbundenen Verfahren pro Verfahren nur 11,5 Minuten gedauert. Eine Erledigungsgebühr hat die Kostenbeamtin nicht angesetzt, da eine solche nicht angefallen sei. Eine erfolgsgerichtete Mitwirkung des Beschwerdeführers, ein besonderes Mühewalten, sei für die Erledigung nicht festzustellen.
Gegen den Beschluss hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt. Eine Kürzung der Terminsgebühr, so der Beschwerdeführer, sei nicht veranlasst. Synergieeffekte aus anderen Verfahren, die im Termin ebenfalls verhandelt worden seien, hätten sich nicht ergeben. Eine Bestandskraft der angefochtenen Entscheidungen hätte erhebliche Nachteile für den Kläger bedeutet. Zudem sei durch die Verhandlung das Ergebnis erzie...