Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf nach § 21 Abs 6 SGB 2. Hautpflegemittel bei Neurodermitis. Umgangskosten mit getrennt lebendem Kind. Einsparmöglichkeiten. Einkommensberücksichtigung. keine Absetzung der Versicherungspauschale bzw der Beiträge der Ausbildungsversicherung der Kinder
Leitsatz (amtlich)
1. Der Bedarf nach § 21 Abs 6 SGB 2 nF ist Teil des Gesamtbedarfs und bei der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen.
2. Ein Bedarf für Hautpflegemittel bei Neurodermitis ist nicht unabweisbar, wenn es zumutbare Behandlungsalternativen gibt, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden.
3. Eine Ausbildungsversicherung für ein Kind ist keine nach Grund und Höhe angemessene private Versicherung. Die Beiträge sind daher nicht nach § 6 Abs 1 Nr 2 Arbeitslosengeld II-Verordnung (juris: AlgIIV 2008) vom Kindergeld abzuziehen. Die Ausbildungsversicherung ist eine Einsparmöglichkeit nach § 21 Abs 6 SGB 2.
4. Die Kosten der Ausübung eines Umgangsrechts fallen unter § 21 Abs 6 SGB 2 nF; Kosten für das Abholen eines 14-jährigen Kindes sind regelmäßig nicht unabweisbar - das Kind kann regelmäßig allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 21. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Bei den Antragstellern handelt es sich um ein verheiratetes Ehepaar (Antragstellerin zu 1 und Antragsteller zu 2) und deren 2003 geborene gemeinsame Tochter (Antragstellerin zu 3). Die Antragsteller bezogen zunächst bis November 2008 Leistungen nach SGB II.
Die Familie bewohnt seit Februar 2009 eine Mietwohnung mit 100 qm Wohnfläche und fünf Zimmern, zu der ein Gartenanteil, ein Carport und eine Sommerlaube gehören. Die Kaltmiete beträgt 500,- Euro, die Nebenkosten betragen einschließlich Heizkosten und Warmwasserkosten 180,- Euro, wobei laut Mietbescheinigung 80,- Euro auf kalte Betriebskosten entfallen.
Am 26.01.2010 stellte die Ehefrau einen Leistungsantrag, den sie mit Schreiben vom 16.02.2010 für gegenstandslos erklärte. Am 17.02.2010 stellte sie einen erneuten Antrag, wobei auch der Ehemann als zur Bedarfsgemeinschaft gehörig berücksichtigt werden solle. Für die Tochter wurde ein Mehrbedarf für eine bestimmte rezeptfreie Hautcreme für 29,90 Euro monatlich zwecks Hautpflege bei Neurodermitis geltend gemacht. Hierzu wurde ein Arztbrief vom März 2007 vorgelegt, in dem die benannte Salbe nicht erwähnt ist. Zuvor war eine Bescheinigung des Kinderarztes vom Oktober 2007 vorgelegt worden, wonach ein Mehrbedarf für Ernährung wegen Neurodermitis bestehe. Der Ehemann habe einen Mehrbedarf wegen der Ausübung des Umgangsrechts mit seinem im Februar 1996 geborenen Sohn, den er zwei mal monatlich mit dem Auto in I. abhole. Vorgelegt wurde hierzu eine Umgangsvereinbarung aus dem Jahr 2003.
Die Ehefrau ist geringfügig erwerbstätig mit einem schwankenden Einkommen. Nach der letzten vorgelegten Abrechnung erhielt sie für Februar 2010 einen Lohn von 359,98 Euro. Die Antragsgegnerin setzte einen durchschnittlichen Verdienst von 283,30 Euro an. Für die gemeinsame Tochter wird Kindergeld von monatlich 184,- Euro bezahlt. Auf die Tochter läuft eine Ausbildungsversicherung mit einem Monatsbeitrag von 30,- Euro. Das Auto der Familie ist auf die Ehefrau versichert mit einem Quartalsbeitrag von 84,93 Euro, der später auf 325,57 Euro angehoben wurde, weil der Schadenfreiheitsrabatt wesentlich vermindert wurde. Es wurden nur 5000 Jahreskilometer versichert. In der mündlichen Verhandlung am 29.04.2010 wurde schließlich eine Kfz-Haftpflichtversicherung mit einem Beitrag von 404,22 Euro vorgelegt, wobei die Laufzeit nicht erkennbar war.
Der Ehemann ist als Fernfahrer tätig und erzielt je nach Zahl der Arbeitstage ein Einkommen in unterschiedlicher Höhe zwischen brutto 2260,- und 2539,- Euro bzw. netto 1825,56 und 2125,34 Euro monatlich. In dem Lohn ist ein steuerfreier Verpflegungszuschlag von 24,- Euro je Arbeitstag (zu je 14,5 Stunden) enthalten. Zwischen Wohnung und Arbeitsstätte liegt ein Weg von circa 35 km einfach. Der Ehemann bezahlt monatlich 175,- Euro auf den mit 198,- Euro titulierten Unterhaltsanspruch für seinen im Februar 1996 geboren Sohn.
Mit Bescheid vom 23.03.2010 wurde der Antrag auf laufende Leistungen abgelehnt. Es bestehe keine Hilfebedürftigkeit. Es sei ausreichend Einkommen vorhanden. Der Verpflegungszuschlag sei abzüglich einer Pauschale von täglich 6,- Euro anrechenbares Einkommen. Mit Bescheid gleichen Datums wurden Leistungen für einen Sonderbedarf für die Ausübung des Umgangsrechts, die Neurodermitis-Salbe und einen Flötenkurs für die Tochter abgelehnt. Die Ehefrau erhob umgehend Widersprüche gegen die beiden Bescheide, über die noch nicht entschieden ist.
Am 25.03...