Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Höhe des Zuschusses zum Versicherungsbeitrag zur privaten Krankenversicherung. Rechtsanalogie. verfassungskonforme Auslegung. sozialgerichtliches Verfahren. einstweilige Anordnung. Fehlen eines Anordnungsgrundes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bezieher von Arbeitslosengeld II, die privat krankenversichert und unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags hilfebedürftig sind, haben gem § 26 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 2 iVm § 12 Abs 1c S 6 VAG einen Anspruch auf Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung bis zur Höhe des Betrags, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist.

2. Ob sich aus einer Analogie zu § 26 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 2 oder aus § 21 Abs 6 SGB 2 in der Fassung des Gesetzes vom 27.5.2010 (BGBl I S 671) ein Anspruch auf Übernahme der Beiträge, soweit sie den in § 26 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 2 iVm § 12 Abs 1c S 6 VAG genannten Höchstbetrag überschreiten, ergibt, bleibt offen. Ebenso bleibt offen, ob die Beschränkung auf den in § 26 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 2 iVm § 12 Abs 1c S 6 VAG genannten Höchstbetrag verfassungskonform ist.

3. Für einen Antrag, den Grundsicherungsträger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig weitere Zuschüsse bis zur Höhe der tatsächlich vom Hilfebedürftigen geschuldeten Leistungen zu bezahlen, besteht kein Anordnungsgrund. Denn Hilfebedürftige bleiben auch dann mit vollem Leistungsanspruch privat krankenversichert, wenn sie mit Beiträgen im Rückstand sind, weil gem § 193 Abs 6 S 5 VVG das Ruhen der Leistungen, das zu Leistungseinschränkungen nach § 193 Abs 6 S 6 VVG führt, während der Zeit der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2 oder SGB 12 ausdrücklich ausgeschlossen ist.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 07.07.2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Parteien ist im einstweiligen Rechtsschutz streitig, bis zu welcher Höhe der Beschwerdeführer (Bf.) Anspruch auf Übernahme seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung im Basistarif hat. Der 1955 geborene Bf. leidet an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus sowie einer exokrinen und endokrinen Pankreasinsuffizienz.

Er bezieht seit dem 01.12.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) von der Beschwerdegegnerin (Bg.). Seit Leistungsbeginn ist der Bf. privat krankenversichert im Basistarif. Die Beiträge zur privaten Krankenversicherung betrugen 284,81 € im Dezember 2009. Von Januar bis Juni 2010 betrugen sie monatlich 290,62 € und seit Juli monatlich 295,02 €. Die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung betrugen 35,83 € im Dezember 2009; sie betragen 36,56 € monatlich seit Januar 2010.

Mit Bescheid vom 06.05.2010 bewilligte die Bg. dem Bf. Zuschüsse zu seinen Beiträgen zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 124,32 € für den Monat Dezember 2009 und in Höhe von 126,05 € monatlich für die Zeit von Januar bis Mai 2010. Zuschüsse zur privaten Pflegeversicherung wurden in Höhe von 17,79 € für Dezember 2009 und in Höhe von 18,04 € für die Zeit von Januar bis Mai 2010 bewilligt.

Mit Schreiben vom 07.05.2010, eingegangen am 10.05.2010, legte der Bf. gegen den Bescheid vom 06.05.2010 Widerspruch ein, mit dem er die Übernahme des vollen Beitrags zur Krankenversicherung begehrte.

Durch Widerspruchsbescheid vom 19.05.2010 wies die Bg. den Widerspruch des Bf. gegen den Bescheid vom 06.05.2010 als unbegründet zurück.

Am 20.05.2010 beantragte der Bf. die Weiterbewilligung von Leistungen ab Juli 2010.

Mit Bescheid vom 21.05.2010 bewilligte die Bg. dem Bf. Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.06. bis zum 30.11.2010 unter Berücksichtigung eines Zuschusses zur Krankenversicherung in Höhe von 126,05 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 18,04 € monatlich. Ein Widerspruch gegen diesen Bescheid findet sich nicht in der Behördenakte.

Am 17.06.2010 hat der Bf. beim Sozialgericht Augsburg (SG) "Eilklage" erhoben, mit der er die Übernahme des hälftigen Beitrags für den Basistarif der privaten Krankenversicherung und des gesamten Beitrags für die Pflegeversicherung durch die Bg. beantragt hat. Das SG hat diese "Eilklage" sowohl als reguläre Klage als auch als Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz behandelt.

Mit Änderungsbescheiden vom 25.06.2010 hat die Bg. für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis zum 30.11.2010 die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung in vollem Umfang übernommen.

Daraufhin hat das SG unterstellt, dass sich der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz auf die vorläufige Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung beschränke, und diesen Antrag durch Beschluss vom 07.07.2010 abgelehnt. Der Antrag sei schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, soweit Leistungen für die Vergangenheit geltend gemacht würden; was die Leistungen ab Mai...

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