Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
Leitsatz (amtlich)
Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches ersetzt nicht die erforderliche Prüfung des Anordnungsgrundes im Einzelfall. Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft, wenn die Antragsteller finanziell in der Lage sind, die Differenz zwischen den vom Antragsgegner übernommenen angemessenen Kosten der Unterkunft und den tatsächlichen Kosten zu bestreiten.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17. November 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die 1957 geb. Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für die Zeit vom 30.9.2020 bis 28.2.2021, insbesondere ohne Berücksichtigung eines kopfanteiligen Drittels der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Mutter des Bf zu 1.
Die Bf sind verheiratet und beziehen als Bedarfsgemeinschaft vom Antrags- und Beschwerdegegner (Bg) SGB II-Leistungen. Sie sind beide selbständig tätig. Die Bf bewohnen eine 165 qm große Wohnung, davon werden nach eigenen Angaben 18 qm betrieblich genutzt. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung betragen 1.571,61 € bruttokalt zuzüglich 170 € Heizkostenvorauszahlung, insgesamt 1.741,61 €. Der Bg hat bereits zur Kostensenkung aufgefordert (Schreiben vom 28.12.2017) und übernimmt seit dem 1.7.2018 nur noch die aus seiner Sicht angemessenen Aufwendungen für KdUH. Im Rahmen eines vom Bg veranlassten Kontenabrufverfahrens wurde bekannt, dass die Bf jeweils verfügungsberechtigt über die Konten ihrer Mütter sind.
Laut Auskunft aus dem Melderegister vom 5.10.2020 ist die Mutter des Bf zu 1 am 1.2.2019 in die Wohnung der Bf eingezogen. Der Bf zu 1 bestätigte gegenüber der Gemeinde A. am 26.2.2019 als sog. Wohnungsgeber mit eigenhändiger Unterschrift, dass seine Mutter am 1.2.2019 in seine Mietwohnung eingezogen ist. Die Wohnungsgeberbestätigung enthielt den rechtlichen Hinweis darauf, dass mit der Unterschrift des Wohnungsgebers der Ein- bzw. Auszug der oben genannten Person in die oben bezeichnete Wohnung bestätigt werde und dass der Wohnungsgeber diese Bescheinigung ausstellen dürfe. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass der Wohnungsgeber ordnungswidrig handle, wenn er nicht dazu berechtigt sei und dass es verboten sei, eine Wohnanschrift für eine Anmeldung eines Wohnsitzes einem Dritten anzubieten oder zur Verfügung zu stellen, obwohl ein tatsächlicher Bezug der Wohnung durch einen Dritten weder stattfinde noch beabsichtigt sei. Ein Verstoß gegen dieses Verbot stelle eine Ordnungswidrigkeit dar und könne mit einer Geldbuße bis zu 50.000 € geahndet werden. Das Unterlassen einer Bestätigung des Ein- oder Auszuges sowie die falsche oder nicht rechtzeitige Bestätigung des Ein- oder Auszuges könnten als Ordnungswidrigkeit mit Geldbußen bis zu 1.000 geahndet werden.
Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 21.8.2020 wurden den Bf für September 2020 2.404,40 € bewilligt (davon 761,38 € bruttokalt zuzüglich 152,98 € Privatnutzungsanteil Heizkosten) und für die Zeit ab 1.10.2020 bis 28.2.2021 monatlich 2.099,60 € (davon 507,58 €, das sind 2/3 von 761,38 € zuzüglich 101,98 € Heizkosten, das sind 2/3 des privaten Heizkostenanteil) incl. jeweils eines Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Einkommen aus selbständiger Tätigkeit wurde dabei nicht bedarfsmindernd angerechnet. Ein Drittel der Aufwendungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) blieb ab Oktober 2020 unberücksichtigt, da dieses kopfanteilig der Mutter des Bf zu 1 zugerechnet wurde. Dagegen legte der Bf zu 1 mit Schreiben vom 16.9.2020 Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 21.11.2020 wurde die Erhöhung der Regelbedarfe zum 1.1.2021 angepasst.
Am 30.9.2020 stellte der Bevollmächtigte der Bf einen Eilantrag beim Sozialgericht München. Der Abzug eines Drittels der Aufwendungen für KdUH sei falsch, da die Mutter des Bf zu 1 nur in der Wohnung der Bf gemeldet sei, dort aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht habe. Die Mutter des Bf zu 1 habe sich bereits vor Beginn der Corona-Pandemie ins nicht europäische Ausland begeben. Eine genaue Adresse sei den Bf unbekannt. Als Meldeadresse sei die Adresse der Bf nach Wohnungsaufgabe im Rahmen der Vorsorgevollmacht hinterlegt worden. Zum Anordnungsgrund führte der Bevollmächtigte der Bf aus, dass nach der Entscheidung des BVerfG vom 12.5.2005 bei Unterschreitung von Leistungen in Höhe des Regelsatzes zuzüglich angemessener KdU ein Anordnungsgrund regelmäßig gegeben sei. Nach der vorgelegten Umzugsmeldung ist die Mutter des Bf zu 1 am 1.2.2019 in dessen Wohnung eingezogen. Vorgelegt wurde ferner eine notarielle Vorsorgeurkunde vom 23.10.2018, wonach die Mutter des Bf zu 1 den Bf Vollmacht zur Erledigung von Vermögensangelegenheiten, Angelegenheiten der Gesundhei...