Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsfrist. Zustellung im Ausland. Tatsächlicher Zugang. Einschreiben mit Rückschein. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verschulden. Sprachkenntnisse. Postlaufzeit. Non-prioritaire Sendung. Glaubhaftmachung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die regelmäßige Postlaufzeit non-prioritairer Sendungen von Bosnien-Herzegowina nach Deutschland beträgt zehn Tage. Verschickt der Berufungskläger seine Berufungsschrift weniger als zehn Tage vor dem Ende der Berufungsfrist, kann er nicht von einem rechtzeitigen Zugang ausgehen. Wiedereinsetzung in die abgelaufene Berufungsfrist ist dann ausgeschlossen.

 

Normenkette

SGG §§ 63, 67, 87 Abs. 1 S. 2, § 151 Abs. 1; ZPO § 183 Abs. 1, § 189; GVG § 184 S. 1

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19.10.2007 wird verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren hat.

Der Kläger ist 1956 geboren und hat seinen derzeitigen Wohnsitz in Bosnien-Herzegowina.

Am 26.04.2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung durch die Beklagte. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 10.01.2006, 11.04.2006 und 03.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2006 ab.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Landshut mit Urteil vom 19.10.2007 als unbegründet abgewiesen.

Das Urteil ist dem Kläger an seinen Wohnsitz in Bosnien-Herzegowina am 06.11.2007 per Einschreiben-Rückschein zugestellt worden; der Rückschein ist vom Kläger selbst unterschrieben worden.

Mit Schreiben vom 25.01.2008 hat der Kläger Berufung erhoben. Dieses Schreiben hat der Kläger per Einschreiben am 29.01.2008 in Bosnien-Herzegowina zur Post gegeben. Wie sowohl dem vom Kläger vorgelegten Postaufgabebeleg als auch dem zugehörigen Briefumschlag zu entnehmen ist, ist das Schreiben nicht als prioritaire Sendung oder als Luftpost aufgegeben worden. Der Eingang beim Bayerischen Landessozialgericht ist am 08.02.2008 erfolgt.

Auf den Hinweis des Gerichts auf die Verfristung der Berufung hin (Schreiben vom 20.02.2008) hat sich der Kläger mit Schreiben vom 11.03.2008 dahingehend geäußert, ihm sei bekannt, dass die Berufung innerhalb von drei Monaten bei Gericht eintreffen solle. Er sei aber gleichzeitig davon ausgegangen, dass er die Berufung innerhalb von drei Monaten abschicken solle, und aufgrund dessen der Meinung gewesen, dass die Berufung fristgemäß bei Gericht eintreffe. Seine Deutschkenntnisse seien nicht ausreichend und er müsse bei jeder Antwort an das Gericht einen Übersetzer bezahlen. Aus der von ihm vorgelegten Kopie des Postaufgabebelegs sei zu ersehen, dass die Berufung am 29.01.2008 per Expresspost abgeschickt worden sei. Es sei ihm versichert worden, dass die Sendung nicht mehr als sechs Tage dauern werde. Er bitte, dies als Entschuldigung zu akzeptieren.

Eine mit gerichtlichem Schreiben vom 28.07.2008 vom Kläger erbetene Bescheinigung seines Postamtes zur Frage der üblichen Postlaufzeiten hat der Kläger nicht vorgelegt, da dies in Bosnien-Herzegowina nicht üblich sei. Wie auch schon vom Gericht festgestellt, seien nicht selten Postlaufzeiten von zwei Wochen und mehr anzutreffen. Es sei natürlich nicht in seinem Sinne, dass das Schreiben erst am 08.02.2008 bei Gericht eingegangen sei; als normaler Bürger habe er aber keinen weiteren Einfluss, als die Briefmarken und Sendung ganz normal zu bezahlen (Schreiben vom 11.08.2008).

Auf Nachfrage des Gerichts zu den Postlaufzeiten von Bosnien-Herzegowina nach Deutschland hat die Deutsche Post mit Schreiben vom 04.08.2008 folgende Auskunft erteilt: Den vorgelegten Belegen (Postaufgabebeleg und Briefumschlag) sei zu entnehmen, dass der Berufungsschriftsatz des Klägers mit der Zusatzleistung Einschreiben eingeliefert worden sei. Die Zusatzleistung Einschreiben habe keinen Einfluss auf die Laufzeit einer Sendung. Grundsätzlich würden im internationalen Bereich die Sendungsströme nach Luft- (prioritaire) und Land/Seebeförderung (non-prioritaire) unterschieden. Sendungen mit dem Vermerk "Luftpost", "Air Mail" oder "Prioritaire" würden im internationalen Postverkehr auf dem schnellstmöglichen Weg befördert. Fehle diese Kennzeichnung, würden die Sendungen auf dem kostengünstigsten und damit langsameren Land/Seeweg transportiert. Auch die weitere Bearbeitung der Sendungen erfolge für prioritaire Sendungen vor non-prioritaire Sendungen. Regelmäßig durchgeführte Laufzeitprüfungen hätten ergeben, dass die Laufzeiten für prioritaire Sendungen aus Bosnien-Herzegowina ca. sechs bis acht Tage betrügen, non-prioritaire Briefsendungen hingegen mehr als 10 Tage bis zur Auslieferung benötigen würden. Es sei allerdings zu bemerken, dass es sich hierbei um Erfahrungswerte, nicht um Laufzeitgarantien handle. Es könne leider immer wieder vorkommen, dass einzelne Sendungen eine etwas längere Zeit benötigen würden, als die gewonnenen Erfahrungs...

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