Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenkasse. Rechtswidrigkeit der Aufrechnung eines Verordnungsregresses gegen Gesamtvergütungsforderung einer Kassenärztlichen Vereinigung
Orientierungssatz
Die durch eine Krankenkasse vorgenommene Aufrechnung eines gegen einzelne Vertragsärzte festgesetzten Verordnungsregresses mit der Gesamtvergütungsforderung einer Kassenärztlichen Vereinigung ist rechtswidrig.
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Es wird festgestellt, dass die durch die Beklagte vorgenommene Aufrechnung des gegen die Beigeladenen festgesetzten Verordnungsregressbetrags mit der Gesamtvergütungsforderung der Klägerin rechtswidrig war.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt in Fortsetzung einer für erledigt erklärten Leistungsklage die Feststellung, dass die durch die Beklagte erklärte Aufrechnung eines gegen die Beigeladenen nach Durchschnittswertprüfung festgesetzten Verordnungsregresses mit klägerischen Gesamtvergütungsforderungen rechtswidrig war.
Streitig war zunächst ein Zahlungsanspruch der KVB gegen die AOK Bayern in Höhe von 2.458,69 EUR nebst 5 % Prozesszinsen, die diese ursprünglich im Wege der Leistungsklage verfolgte.
Gegen die beigeladenen Vertragsärzte zu 1. und zu 2. hatte der Beschwerdeausschuss Ärzte Bayern mit Bescheid vom 19. Mai 2003 einen Regress wegen Überschreitung des Arzneimitteldurchschnitts in Höhe von EUR 5.556,63 zugunsten mehrerer Krankenkassen(verbände) festgesetzt. Ein Teilbetrag von 2.458,68 EUR entfiel dabei auf die beklagte AOK Bayern. Nachdem sich die Klägerin geweigert hatte, diesen Betrag sofort an die Beklagte auszuzahlen, erklärte jene die Aufrechnung mit einer fälligen Gesamtvergütungsforderung der Klägerin, die daraufhin Leistungsklage erhob. In Parallelstreitigkeiten wurden ebenso mit Gesamtvergütungsforderungen der Klägerin in Höhe von zunächst 780.000,00 EUR aufgerechnet. Zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung gaben Kläger und Beklagte den derzeit streitigen Betrag mit 422.000 EUR an.
Das Sozialgericht München hat dieser Leistungsklage mit Urteil vom 8. Mai 2007 in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin den geforderten Betrag nebst Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen sowie die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Berufung wurde nicht ausdrücklich zugelassen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 9. Januar 2008 die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2007 zugelassen.
Gegen das sozialgerichtliche Urteil hat die beklagte AOK Bayern Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.
Die beklagte AOK meint, die Klägerin sei mit Bekanntgabe der Beschwerdeausschussentscheidung rechtlich verpflichtet gewesen, den ihr zustehenden Teil der Schadensersatzfestsetzung nach Verrechnung mit dem Honorarkonto des geprüften Arztes an sie abzuführen, weil Klagen von geprüften Ärzten gegen Verordnungsregresse nach Durchschnittswerten keine aufschiebende Wirkung hätten. Zwar bestimme der mit dem 6. SGG-Änderungsgesetz eingefügte § 106 Abs.5 Satz 7 SGB V, dass (nur) die Klage gegen eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte "Honorarkürzung" keine aufschiebende Wirkung habe. Jedoch sei aus der Rechtsentwicklung zu schließen, dass der Begriff der "Honorarkürzung" in einem generellen Zusammenhang als jede "das Honorar tangierende Prüfmaßnahme" zu verstehen sei. Durch das 6. SGG-Änderungsgesetz sei die bisherige Rechtslage nicht dahingehend geändert worden, dass im Gegensatz zum bisherigen Zustand nunmehr eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid nach § 106 SGB V aufschiebende Wirkung zeitigen solle.
Die Einfügung des Satzes 7 sei deshalb erfolgt, weil mit dem 6. SGG-Änderungsgesetz das Regel-/Ausnahmeverhältnis bzgl. des Eintritts aufschiebender Wirkung (bis dahin: grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung) gleichsam umgekehrt wurde. Nach den neuen §§ 86a, b SGG entfalle heute die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nur dann, wenn dies im Gesetz geregelt sei. Unter diesem Gesichtspunkt habe der Gesetzgeber eine Ergänzung im Sinne eines Festhaltens am alten Zustand vorgenommen. Auch der 14. Ausschuss (BT-Drs. 1471/70 S.16) gehe in der Begründung seiner Beschlussempfehlung zum ABAG wie selbstverständlich davon aus, dass sich an der bisherigen Rechtslage nichts geändert habe. Eine Änderung im Sinne der Einführung einer aufschiebenden Wirkung für Verordnungsregresse sei mit der Einfügung des Satzes 7 nicht beabsichtigt worden. Auch sei auf die BT-Drs. 1463/35 S.33 zu verweisen.
Damit sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Schadensersatzbetrag - nach Verrechnung auf dem Arztkonto - an die AOK auszukehren. Da sie das nicht getan habe, sei eine Aufrechnungslage entstanden. Auch im öffentlichen Recht sei die Aufrechnung unter den Voraussetzungen der Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit der beiderseitigen Ansprüche in entsprechender Anwendung des § 387 ...