Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung bei psychischen Erkrankungen
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.
Orientierungssatz
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zur notwendigen Ausschöpfung von Behandlungsoptionen (vgl. z.B. LSG München, 24. Mai 2017, L 19 R 1047/14) ist bei psychischen Erkrankungen im Fall bestehender Behandlungsoptionen die Dauerhaftigkeit dieser Einschränkungen nicht bereits nachgewiesen.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.11.2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der 1965 geborene Kläger erlernte nach seinen Angaben von August 1982 bis Juli 1985 den Beruf eines Kfz-Mechanikers. Später war er u. a. als Techniker und Mechaniker sowie im technischen Vertrieb versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt übte der Kläger nach seinen Angaben eine Tätigkeit in der strategischen Planung der Firma C. in A-Stadt für rund sechs Monate bis Februar 2012 aus. Anschließend bezog der Kläger bis August 2012 Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Weitere rentenrechtlich relevante Sachverhalte sind für die Folgezeit nicht dokumentiert.
Am 10.09.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, seit Januar 2013 arbeitsunfähig erkrankt zu sein und nach seiner Auffassung keine Arbeiten mehr verrichten zu können.
Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger am 06.11.2013 durch den Allgemein- und Sozialmediziner Dr. W. untersucht, der folgende Gesundheitsstörungen beim Kläger beschrieb:
1. Depressive Episode, Anpassung- und Somatisierungsstörung mit im Vordergrund stehenden Tinnitus linksseitig.
2. Hypertonie.
Der Kläger habe angegeben, dass er sich eigentlich mit einem Internethandel habe selbstständig machen wollen und im Februar 2013 plötzlich einen Tinnitus linksseitig verspürt habe, der sich seitdem nicht mehr gelegt habe. Vom Hausarzt werde eine depressive Entwicklung infolge des Tinnitus einhergehend mit Schlafstörungen und sozialem Rückzug attestiert. Außerdem bestünden nach Angaben des Klägers gesundheitliche Einschränkungen an der Wirbelsäule, der Schulter, den Fingern und der rechten Flanke. Ein erster Psychotherapietermin sei kürzlich gewesen, weitere sollten folgen.
Sozialmedizinisch sei der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mittelschwere Tätigkeiten in jeder Körperhaltung ohne Nachtschicht, ohne überdurchschnittlichen Zeitdruck oder Verantwortung einsatzfähig.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.11.2013 den Rentenantrag ab. Die vorliegenden Einschränkungen würden keinen rentenberechtigenden Umfang erreichen.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 05.12.2013 Widerspruch ein und sah die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht hinreichend gewürdigt. Er legte hierzu zwei ärztliche Atteste vor. Der Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. D. bescheinigte dem Kläger am 05.02.2014 eine depressive Entwicklung, eine nicht organische Schlafstörung, eine Störung des Sozialverhaltens und einen Tinnitus. Die medikamentöse Behandlung habe bisher nur bedingten Erfolg gebracht. Ärztlicherseits würde dringend ein Milieuwechsel angeraten, bevor sich das Krankheitsbild weiter verfestige.
Der Facharzt für Neurochirurgie Dr. P. beschrieb am 03.03.2014, dass vom Kläger ein Tinnitus, Schmerzen in den Gelenken und ein dumpfer Schmerz bei leichter Belastung sowie Schlafstörungen mit nächtlichen Schweißausbrüchen berichtet würden. Nahrungsergänzungsmittel hätten nicht geholfen; aus seiner Sicht seien die Beschwerden in erster Linie wohl psychosomatischer Natur und eine entsprechende Rehabilitationsmaßnahme solle eingeleitet werden.
Die Beklagte ließ ein Gutachten durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. erstellen, die den Kläger am 03.06.2014 untersuchte. Beim Kläger seien bisher keine stationär-psychiatrischen Behandlungen und keine Rehabilitationsmaßnahmen erfolgt. Eine Schilderung des Tagesablaufes war damit verbunden, dass der Kläger angab, seine früheren Aktivitäten beim Rad fahren und in einem Sportverein aufgegeben zu haben. Dies sei jedoch bereits vor der Erkrankung erfolgt. Opipramol und Schmerzmittel nehme er nicht regelmäßig ein, damit er sich daran nicht gewöhne; er nehme die Medikamente insbesondere bei Schlafstörungen. Als Diagnosen wurden aufgeführt:
1. Depressive Entwicklung im Rahmen einer Anpassungsstörung mit Somatisierungsneigung.
2. Vordiagnostizierter Tinnitus links bei ausgezeichneter Hörleistung beidseits.
3. Vorbekannte arterielle Hypertonie mit diätetischer Behandlung.
Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und auch in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit sowie anderen mittelschweren Tätigkeiten täglich sechs...