Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Hinterbliebenenrente. eheähnliche Lebensgemeinschaft. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Anspruch auf Hinterbliebenenrente gem § 46 SGB 6 hat nur, wer mit dem versicherten Ehegatten bei dessen Tod auf Grund wirksam geschlossener Ehe verheiratet gewesen ist. Das Rentenversicherungsrecht bietet keine Anhaltspunkte für eine eigenständige, vom Eherecht losgelöste Ausgestaltung des Ehebegriffs.
2. Der Ehe steht nur die eingetragene Lebensgemeinschaft gleich (§ 46 Abs 4 SGB 6).
Orientierungssatz
1. Eine im Zeitpunkt des Todes des Versicherten bestehende eheähnliche Lebensgemeinschaft kann nicht mit der in der rechtlich vorgesehenen Form geschlossenen bürgerlich-rechtlichen Ehe (vgl §§ 1303ff BGB) gleichgestellt werden. Zwar zeichnet sich eine solche Gemeinschaft ebenfalls durch innere Bindungen und gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander aus, wesentliches Merkmal ist aber im Gegensatz zur Ehe die fehlende umfassende Rechtsverbindlichkeit und die Möglichkeit der jederzeitigen Beendigung der Partnerschaft ohne Einhaltung bestimmter Voraussetzungen (vgl BVerfG vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 = BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3).
2. Ein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 GG liegt nicht vor, weil dieses Grundrecht nicht jede Lebensgemeinschaft schützt, sondern nur die nach der geltenden Rechtsordnung rechtsgültig geschlossene Ehe. Ebenfalls verstößt die Regelung nicht gegen Art 3 Abs 1 GG und Art 14 Abs 1 GG.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 18. März 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Witwenrente nach § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Die 1955 geborene Klägerin stellte am 30.07.2007 Antrag auf Hinterbliebenenrente nach ihrem am 28.01.2005 nach schwerer Krankheit verstorbenen langjährigen Lebensgefährten M.G. Sie berief sich darauf, dass beide im September 2004, als der Versicherte bereits im Krankenhaus gelegen habe, gegenüber dem Standesamt in A-Stadt ihr Einverständnis zur Anmeldung der Eheschließung unterschrieben hätten. Die Eheschließung habe auf Grund der Gegenebenheiten erst im Frühjahr 2005 erfolgen sollen.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.09.2007 mit der Begründung ab, nach § 46 SGB VI hätten Witwen, die nicht wieder geheiratet hätten, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente/Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt habe, unter weiteren Voraussetzungen auch auf sog. große Witwen-/Witwerrente. Zwischen der Klägerin und dem verstorbenen Versicherten habe eine rechtsgültige Ehe nicht bestanden, bei dem im September 2004 unterschriebenen Einverständnis zur Eheschließung handle es sich lediglich um ein Aufgebot. Beide Partner hätten lediglich bis zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt. Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft seien nach dem Tode des Versicherten nicht Witwe oder Witwer und hätten keinen Anspruch auf entsprechende Hinterbliebenenrente (BSG, Urteil vom 30.03.1994 - 4 RA 18/93).
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die eine Hinterbliebenenrente in ihrem Fall ausschließende gesetzliche Regelung verstoße gegen Art. 3 Abs.1 und 14 Abs.1 GG. Sie sei Alleinerbin des Verstorbenen, auf ihren Namen seien Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht des Verstorbenen ausgestellt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2008 zurück. Eine rechtsgültige Ehe habe nicht vorgelegen. Daran ändere auch die Tatsache der Alleinerbschaft bzw. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht nichts.
Im anschließenden Klageverfahren wies die Klägerin erneut auf die beabsichtigt gewesene Eheschließung hin, zu der es wegen der schweren Erkrankung und des Todes des Versicherten nicht mehr gekommen sei.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.03.2010 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Witwenrente nach § 46 SGB VI. Voraussetzung dafür sei eine rechtsgültige Ehe. Eine solche komme nur durch Eheschließung vor dem Standesamt zustande. Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft begründe dagegen keine rechtsgültige Ehe. Der überlebende Partner sei nicht Witwe/Witwer und könne einer solchen/einem solchen auch nicht rechtlich gleichgestellt werden. Es sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, den Bezug einer Witwenrente vom Bestand einer rechtgültigen Ehe abhängig zu machen, wie das BSG in seinem Urteil vom 30.03.1994 - 4 RA 18/93 - dargelegt habe. Die von der Klägerin zur Unterstützung ihrer Auffassung zitierten sozialgerichtlichen Entscheidungen des Hessischen LSG (L 2 R 220/06) und des SG Würzburg (S 8 RJ 697/02) seien zur Thematik der Versorgungsehe ergangen; sie könnten nicht herangezogen werden, weil in diesen Fällen eine rechtsgültige Ehe bestanden habe und die Ablehnung der Hinterbliebenenrente nur wegen der Eh...