Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. hochgradige Sehbehinderung. schwere spezifische Leistungsbehinderung. Verweisbarkeit. psychologisches bzw psychiatrisches Sachverständigengutachten. persönliche Untersuchung. Verwertung eines bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten (externen) Sachverständigengutachtens im Wege des Urkundsbeweises durch das Gericht
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.
2. Bei psychologischen/psychiatrischen Gutachten zählt die Durchführung der persönlichen Untersuchung des Versicherten im Wesentlichen zum sog unverzichtbaren Kern der vom Sachverständigen selbst zu erfüllenden Zentralaufgaben.
3. Jedenfalls hat ein Gericht, welches unter Verzicht auf Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zulässigerweise ein bereits im Verwaltungsverfahren eingeholtes (externes) Sachverständigengutachten im Wege des Urkundsbeweises verwerten will, sicherzustellen, dass der das Gutachten verantwortlich Unterzeichnende die Vorschriften der §§ 407, 407a ZPO beachtet hat (vgl BSG vom 17.4.2013 - B 9 V 36/12 B = SozR 4-1500 § 118 Nr 3).
4. Zur Verweisbarkeit bei einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung.
Orientierungssatz
Eine hochgradige Sehbehinderung stellt eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar, die die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erfordert.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 08.05.2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der am 1970 geborene Kläger war als Fachgehilfe in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 06.04.1999 bis zum 30.11.2003 war er selbstständig erwerbstätig (Betriebsberatung, Buchhaltungsbüro und Bürodienstleistungen). Rentenrechtliche Zeiten legte er zuletzt vom 01.12.2003 bis 01.05.2011 als Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeit zurück. Danach war er wieder selbstständig erwerbstätig. Ab dem 30.03.2013 bestand Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Folgen eines privaten Unfalls im häuslichen Bereich (Zustand nach traumatischer Amputation des linken Daumens).
Der Kläger beantragte am 28.06.2013 bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Er hielt sich seit dem 30.03.2013 für erwerbsgemindert aufgrund folgender Erkrankungen:
1. Nicht dermatombezogene Empfindungsstörung des linken Armes nach traumatischer Daumenamputation links.
2. Probleme aufgrund des Traumas im Alltag, psychische Probleme und psychosomatische Beschwerden aufgrund anhaltender psychosozialer Belastungen.
3. Essentielle Hypertonie, hypertensive Herzerkrankung.
4. Hochgradige Myopie und erhöhter Augeninnendruck beidseits.
Die Beklagte ließ den Kläger ärztlich begutachten.
Vor der Begutachtung durch den Facharzt für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin A am 27.01.2014 befand sich der Kläger vom 05.11.2013 bis 08.11.2013 in der Universitäts-Augenklinik W. Festgestellt wurde auf beiden Augen eine Optikusatrophie unklarer Genese, klinisch vermutlich hereditäre Optikusatrophie Typ Kjer, und auf beiden Augen ein Visus von 0,1. In dem Entlassungsbericht vom 18.11.2013 wurde ausgeführt, dass sich eine stark ausgeprägte Optikusatrophie unklarer Genese gezeigt habe, die beim Augenarzt vor Ort zufällig aufgefallen war. Der Kläger selbst habe sich an keine subjektive Visusverschlechterung erinnern können. Der Augenarzt G hatte zuvor mit Arztbrief an die Augenklinik vom 25.09.2013 berichtet, dass der Kläger sich am 24.09.2013 zum ersten Mal bei ihm zur Augenuntersuchung vorgestellt habe. Bei der Kontrolle habe der Kläger mit Korrektur einer hochgradigen Myopie eine Sehschärfe rechts von 0,1- 0,2 suchend und ebenso links erreicht. Der Augeninnendruck habe rechts bei 30 und links bei 29 mmHg gelegen. Die Papillen seien beidseits randständig glaukomatös excaviert Grad III-IV gewesen.
Mit Gutachten vom 28.01.2014 nach Untersuchung am 27.01.2014 stellte A. die Diagnosen:
1. Erhebliche Visusminderung bei Optikusatrophie beidseits unklarer Herkunft.
2. Somatoforme Störung.
3. Reizloser Stumpf nach Amputationsverletzung des linken Daumenendgliedes nach Privatunfall 30.03.2013.
4. Bluthochdruckkrankheit, gut eingestellt.
Der Kläger habe noch einen Visus von 0,1 beidseits. Mit seiner Brille könne er noch lesen. Er bewege sich im Raum gezielt. A. empfahl die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens. Ohne Berücksichtigung der psychiatrischen Seite sei der Kläger in der Lage, zumindest leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr zu verrichten. Erhöhte Anforderungen an das Sehvermögen dürften nicht gestellt werden. Tätigkeiten in Nachtschicht oder mit vermehrter Unfallgefahr sowie Fahr- und Steuertätigkeiten dürften nicht abverlangt werden.
Die Beklagte ließ d...