Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung einer Rente nach dem ZRBG. Zwangsarbeit im Lager Sered. Freiwilligkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Beschäftigungszeiten im Zwangsarbeitslager von Sered erfüllen nicht die gesetzlichen Voraussetzungen einer fiktiven Beitragszeit nach §§ 1 und 2 ZRBG.

 

Orientierungssatz

1. Bei dem Lager Sered handelt es sich nicht um ein Ghetto im Sinne des ZRBG (vgl LSG München vom 16.2.2012 - L 6 R 345/11).

2. Der Erhalt von Nahrungsmitteln bzw Sachbezügen anstelle monetärer Entlohnung bei einem täglich zwölfstündigem Arbeitseinsatz spricht für eine unfreie Beschäftigung.

3. Die Slowakei war bis zu ihrer Kapitulation am 8.5.1945 zu keinem Zeitpunkt vom Deutschen Reich "besetzt oder diesem eingegliedert" (vgl LSG München vom 16.2.2012 - L 6 R 345/11).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.07.2012; Aktenzeichen B 13 R 280/12 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 22. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente aufgrund fiktiver Ghetto-Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) zu leisten hat.

Die 1926 in K./Slowakei geborene Klägerin besitzt die slowakische Staatsangehörigkeit und hält sich an ihrem Wohnsitz in der Slowakei ständig auf. Laut Bescheinigung des Zentralverbandes der Jüdischen Kultusgemeinden in der Slowakischen Sozialistischen Republik Bratislava vom 25.02.1988 war sie von Mai 1942 bis zum 28.08.1944 im "Zwangsarbeitslager für Juden von Sered" inhaftiert.

Bereits im März 1989 hatte die Klägerin zunächst formlos Rente mit der Begründung beantragt, sie beanspruche für diese Zeit "im Konzentrationslager in der CSSR" sowie für weitere sechs Monate, in denen sie sich verborgen gehalten habe, Rente aus der Rentenversicherung der Bundesrepublik. Mit Bescheid vom 04.05.1990 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rentenzahlung mit der Begründung ab, die Klägerin habe "keine in das Ausland zahlbaren Beitragszeiten zurückgelegt". Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 20.06.2003 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Antrag auf Altersrente für Verfolgte im Sinne des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) zur Beklagten eingereicht. In dem Ende September 2003 nachgereichten Fragebogen hat die Klägerin angegeben, sie habe ausschließlich im Ghetto Sered vom 22.05.1942 bis 28.08.1944 gearbeitet und habe für ihre Beschäftigung Lebensmittel erhalten. Ihre Tätigkeit habe das Scheuern von Fußböden, Stricken und Weben umfasst und die tägliche Arbeitszeit habe zwölf Stunden betragen. Nach dem Lageraufenthalt habe sie sich bis 21.03.1945 aufgrund der Rassenverfolgung verbergen müssen (vgl. Bescheinigung des Zentralverbandes der Jüdischen Glaubensgemeinde in der Slowakischen Republik vom 23.02.2001). Im Anschluss an diese Zeit sei sie bis heute krank bzw. unverschuldet arbeitslos gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.12.2003 hat die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung abgelehnt, die allgemeine Wartezeit sei nicht erfüllt. Versicherungszeiten nach dem ZRBG seien nicht anzurechnen, da sich die Klägerin nicht in einem vom Deutschen Reich besetzten oder diesem eingegliederten Gebiet, sondern in einem mit diesem verbündeten Staat (der Slowakei), aufgehalten habe. Mangels berücksichtigungsfähiger Beitragszeiten komme auch die Anrechnung von Ersatzzeiten nicht in Betracht.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin - unter Vorlage eines Gutachtens des Historischen Armeeinstituts Prag vom 13.01.2004 und einer Stellungnahme von Frau Dr. jur. K. Z., Institut des Staates und des Rechtes der Akademie der Wissenschaften, Slowakei, vom 01.02.2004 - im Wesentlichen damit begründet, bei der Slowakei habe es sich nicht um einen "mit dem Deutschen Reich verbündeten, sondern besetzten Staat" gehandelt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2004 hat die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Stadt Sered habe während des 2. Weltkrieges zu Ungarn, das bis 18.03.1944 mit dem Deutschen Reich verbunden gewesen sei, gehört. Im Übrigen sei laut Auskunft des "Simon-Wiesenthal-Zentrums" in der Stadt Sered kein Ghetto, sondern ein Zwangsarbeitslager errichtet worden. Damit habe es an dem freien Willen zur Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses gefehlt.

Die hiergegen am 14.06.2004 zum Sozialgericht (SG) Landshut erhobene Klage hat der Klägerbevollmächtigte damit begründet, dass der Klägerin die Tätigkeit im Lager Sered aufgrund eigener Bemühungen vom Judenrat vermittelt worden sei. Die Stadt Sered habe kein klassisches Zwangsarbeitslager gehabt. Sered (wie auch der Beschäftigungsort Novaky) hätten über einen Judenrat, eine Schule und ein Krankenhaus verfügt. Die Insassen hätten ihre verschiedenen Arbeitstätigkeiten frei wäh...

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