nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von kapitalisierten Versorgungsbezügen aus einer vom Arbeitgeber zugunsten des Versicherten abgeschlossenen Lebensversicherung bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge
Leitsatz (redaktionell)
Eine ab dem Jahr 2004 fällig werdende Leistung aus einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung ist ab diesem Zeitpunkt als Versorgungsbezug zur Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge des pflichtversicherten Rentners heranzuziehen, wenn der Lebensversicherungsvertrag vor dem Jahr 2004 abgeschlossen wurde.
Normenkette
SGB V § 229 Abs. 1 S. 3 Fassung: 2003-11-14, S. 1 Nr. 5, § 226 Abs. 1 Nr. 3, § 232a Abs. 4, § 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2-3, Art. 100 Abs. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 24. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Beitragshöhe in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die 1944 geborene Klägerin war vom 01.01. bis 30.09.2004 bei der Beklagten wegen Leistungsbezugs nach dem Sozialgesetzbuch III und ist seit 01.10.2004 als Arbeitnehmerin pflichtversichert. Im Mai 1977 hatte der damalige Arbeitgeber der Klägerin für sie bei der N. Lebensversicherung AG eine Lebensversicherung abgeschlossen, die zum 01.05. 2004 die Versicherung als Kapitalleistung einer betrieblichen Altersvorsorge (86.331,31 Euro) zahlte. Hiervon unterrichtete die Versicherungsgesellschaft am 21.07.2004 die Beklagte.
Mit Bescheid vom 26.07.2004 stellte die Beklagte fest, dass die Kapitalleistung der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliege. Dabei gelte ein 1/120 der Kapitalleistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, wobei die Kapitalleistung auf zehn Jahre verteilt werde. Der Betrag zur Krankenversicherung belaufe sich monatlich ab 01.05.2004 auf 107,19 Euro und zur Pflegeversicherung auf 12,33 Euro (insgesamt 119,42 Euro). Für die Zeit vom 01.05.2004 bis 30.06.2004 ergebe sich ein Gesamtbetrag von 238,84 Euro, der binnen zweier Wochen zu zahlen sei. Die Klägerin legte hiergegen am 27.07. 2004 Widerspruch ein; die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung seien bisher steuer- und abgabenfrei gewesen, ihr stehe deshalb Bestandsschutz zu.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2004 den Widerspruch zurück. Nach der ab 01.01.2004 geltenden gesetzlichen Neuregelung seien auch Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung beitragspflichtig. Inwieweit Muster-streitverfahren sich auf die Frage der Beitragspflicht auswirken würden, sei derzeit ungewiss. Bis zur abschließenden Klärung seien jedoch die Beiträge, wie im Bescheid vom 23.07.2004 mitgeteilt, zu entrichten. Eine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs trete nicht ein.
Die Klägerin hat hiergegen am 28.10.2004 beim Sozialgericht Bayreuth (SG) Klage erhoben, mit der sie wieder Bestandsschutz nach der früheren gesetzlichen Regelung fordert und die ungleiche Behandlung mit der Beitragsgestaltung in der privaten Krankenversicherung sowie Rentenversicherung rügt.
Das SG hat mit Urteil vom 24.01.2005 die Klage abgewiesen. Die der Klägerin ausgezahlten Versorgungsbezüge (Renten der betrieblichen Altersversorgung) seien für sie als Pflichtversicherte mit einem 1/120 der Leistung monatlich zu berücksichtigen. Für die Zeit ab 01.05.2004 unterliege der Versorgungsbezug der Klägerin für die Dauer von zehn Jahren der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung. Eine Aussetzung des Rechtsstreits und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht komme nicht in Betracht, das SG sei nicht von der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Neuregelung überzeugt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz bestehe in der Erweiterung der Beitragspflicht auf originäre Kapitalleistungen nicht, sie beseitige viel mehr Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge. Eine Gleichstellung der Klägerin mit privat Versicherten sei nicht geboten; die private Versicherung beruhe auf anderen Prinzipien bei der Beitragsberechnung als die gesetzliche Krankenversicherung. Insgesamt liege eine Grundrechtsverletzung nicht vor. Die Klägerin könne auch keinen Bestandsschutz beanspruchen; der Gesetzgeber habe aufgrund der weiten Gestaltungsfreiheit im Sozialrecht die Möglichkeit, eine Rechtsposition zum Nachteil des Versicherten für die Zukunft zu ändern. Das Vertrauen auf den Fortbestand der gesetzlichen Vorschriften werde regelmäßig nicht geschützt, die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung mussten aufgrund der bisherigen Ungleichbehandlung von originären und anderen Kapitalleistungen damit rechnen, dass auch originäre Kapitalleistungen beitragspflichtig würden. ...