Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Bestandskraft eines früheren Prüfbescheides. Erhebung einer weitere Beitragsnachforderung für den selben Prüfzeitraum nur nach vorhergehender Rücknahme des ersten Bescheides nach § 45 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
Ein erster Betriebsprüfungsbescheid nach § 28p SGB IV ist erst nach § 45 SGB X zurückzunehmen, bevor zum selben Prüfzeitraum eine weitere Beitragsnachforderung erhoben werden darf (Revision zugelassen).
Normenkette
SGB IV § 28p; SGB X § 45; BVV § 11
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten auch der Berufung.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind Beitragsnachforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung.
Die Klägerin betreibt in A-Stadt unter ihrem Namen einen Friseurladen. Vormals war sie Inhaberin des Friseurgeschäfts "H.", A-Straße, A-Stadt. Dort waren für sie die Beigeladenen zu 1) bis 7) als Friseurinnen tätig.
Die Beklagte prüfte in der Person des als Zeugen einvernommenen Betriebsprüfers I. vom 08.12.2004 bis 15.02.2005 den Betrieb der Klägerin für den Zeitraum 01.01.2000 bis 31.12.2003. Nach einer Schlussbesprechung gemäß Protokoll vom 03.03.2005 machte die Beklagte mit Bescheid vom gleichen Tag für die Zeit 01.01.2002 bis 31.12.2003 eine Nachforderung von 193,12 € für Renten- und Krankenversicherungsbeiträge geltend, weil die Klägerin auf das Beschäftigungsverhältnis der Friseurin A. L. unzutreffende Beitragssätze angewandt hatte. Zum Inhalt des Protokolls der Schlussbesprechung sowie des Bescheides wird auf Blatt 98 bis 101 der Klageakte Bezug genommen. Die Klägerin beglich diese Nachforderung. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Die Beklagte führte in der Zeit vom 29.05.2008 bis 26.07.2008 eine weitere Betriebsprüfung in der Person des Betriebsprüfers H. durch. Dieser stellte dabei fest, dass die Klägerin die Beigeladenen zu 1) bis 7) nicht stets für den gesamten Zeitraum ihrer Tätigkeit gemeldet und nicht den Lohn gezahlt hatte, den sie nach den einschlägigen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für das Friseurhandwerk Bayern geschuldet hätte. Nach Anhörung vom 02.07.2008 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2008 für den Prüfzeitraum 01.03.2001 bis 08.02.2008 Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 63.858,67 € nach. Die Nachforderung ergebe sich aus der Entgeltdifferenz zwischen dem gezahlten und dem geschuldeten Arbeitslohn sowie aus dem Arbeitslohn für beitragsrechtlich nicht gemeldete Zeiten.
Die Klägerin hat am 22.09.2008 gegen den Sofortvollzug der Beitragsnachforderung einen Eilantrag beim Sozialgericht Bayreuth gestellt (Az.: S 6 R 6066/08 ER), diesen aber am 01.10.2008 zurückgenommen.
Im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 28.07.2008 reduzierte die Beklagte mit Teilabhilfebescheid vom 18.02.2009 die Nachforderung auf insgesamt 62.544,47 € (enthalten: Säumniszuschläge in Höhe von 17.539,67 €); wegen der ab 01.01.2003 eingetretenen Rechtsänderungen dürfe seither auf Einmalzahlungen wie das tariflich geschuldete Weihnachtsgeld nicht das Entstehungsprinzip, sondern das Zuflussprinzip Anwendung finden. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2009 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben mit dem Begehren, die Nachforderung gänzlich zu beseitigen.
Einen Antrag der Beigeladenen zu 2) vom 05.02.2009, über das Vermögen der Klägerin die Insolvenz zu eröffnen, hat das Amtsgericht A-Stadt - Insolvenzgericht - mit Beschluss vom 21.04.2009 mangels Masse abgelehnt. Das Insolvenzgericht hat sich dabei auf ein Gutachten des Insolvenzverwalters P. vom 01.04.2009 gestützt, wonach die Klägerin überschuldet war. Das anschließend eingeleitete Strafverfahren hat die Staatsanwaltschaft A-Stadt gemäß Verfügung vom 15.06.2009 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Nichtabführen von Beiträgen gemäß § 266 a StGB bestünden nicht.
Die Klägerin hat im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth im Wesentlichen geltend gemacht, sie verfüge über ein Jahreseinkommen von wenigen tausend Euro, so dass sie die Nachforderungen der Beklagten in den Ruin trieben. Im Übrigen seien die Beigeladenen als Friseurinnen ordnungsgemäß angemeldet gewesen, sie habe pflichtgemäß die geschuldeten Beiträge abgeführt. Die Beigeladene zu 6) sei ab 2001 auf privater Basis und nur aus guter Freundschaft im Friseurgeschäft gewesen und habe verabredungsgemäß dafür nur ein Taschengeld erhalten, so dass ein Beschäftigungsverhältnis zunächst nicht vorgelegen habe.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 28.05.2013 die Entscheidung der Beklagten insoweit aufgehoben, als diese Beiträge und Umlagen auch für die Zeit 01.03.2001 bis 31.12.2003 nachgefordert hatte. Die Beklagte dürfe nur die auf die Zeiträume ab 01.01.2004 entfallenden Beiträge in Höhe von 25.275,19 € und S...