Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Bestandskraft eines früheren Prüfbescheides. Erhebung einer weiteren Beitragsnachforderung für den selben Prüfzeitraum nur nach vorhergehender Rücknahme des ersten Bescheides nach § 45 SGB 10
Orientierungssatz
Ein erster Betriebsprüfungsbescheid nach § 28p SGB 4 ist erst nach § 45 SGB 10 zurückzunehmen, bevor zum selben Prüfzeitraum eine weitere Beitragsnachforderung erhoben werden darf (vgl LSG München vom 08.10.2013 - L 5 R 554/13).
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25.06.2012 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf 1.115,56 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren lediglich noch über die Rechtmäßigkeit von Beitragsforderungen für die Zeit vom 01.12.2003 bis zum 31.05.2006.
Der Kläger betreibt in B. eine Rechtsanwaltkanzlei mit seinem Partner als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Für den oben genannten Prüfungszeitraum wurde am 23.06.2006 eine Betriebsprüfung durchgeführt, die ohne die hier streitigen Beanstandungen endete. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 22.08.2006 wurde für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.05.2006 lediglich eine Nachforderung von 531,09 Euro, betreffend die Beschäftigung der Rentnerin Frau U. F. geltend gemacht.
Am 24.02.2010 führte die Beklagte eine erneute Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) betreffend den Prüfzeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2009 bei dem Kläger durch.
Mit Bescheid vom 25.02.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich aus der Prüfung eine Nachforderung von insgesamt 3.647,41 € ergebe. In der Nachforderung seien Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 465,00 € enthalten. Die stichprobenweise durchgeführte Prüfung habe u. a. den Lohnsteuerprüfbericht (Fahrtkosten) des Finanzamtes B. vom 19.09.2008 berücksichtigt. Seitens des Arbeitgebers gezahlte Zuschüsse zu den Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien steuer- und beitragspflichtig gewesen. Diese könnten zwar nach § 40 Abs. 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) mit 15 v. H. pauschal versteuert werden, eine Pauschalierung sei jedoch nur dann zulässig, wenn diese Zuschüsse “zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gegeben und die Grenzen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG eingehalten wurden„. Vorliegend seien in zwei Fällen Fahrtkosten steuerfrei ausgezahlt und als Werbungskosten geltend gemacht worden. Eine Pauschalierung sei aber ausgeschlossen, so dass auch Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen seien. Ansprüche auf Beiträge verjährten zwar in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden worden seien (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjährten jedoch in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nach der Rechtsprechung des BSG reiche es für die Anwendung der Vorsatzregel aus, wenn der Beitragsschuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten habe, er also seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe.
Wegen der engen Anknüpfung des Beitragsrechts der Sozialversicherung an das Steuerrecht bei Beitragsansprüchen auf der Grundlage eines Prüfberichtes/Bescheides der Finanzbehörde sei von einem bedingten Vorsatz auszugehen, wenn der Beitragsschuldner eine Beitragsentrichtung aufgrund des Prüfberichtes/Bescheides der Finanzbehörde nicht vorgenommen oder es unterlassen habe, sich bei der zuständigen Einzugsstelle zu vergewissern, dass Beitragspflicht nicht vorliege. Anlässlich der Steuerprüfung der Finanzbehörde für den Zeitraum vom 01.12.2003 bis 31.07.2008 hätten sich Steuernachforderungen ergeben, die auch beitragsrechtlich zu beachten seien. Der Kläger habe daher aufgrund der früheren Prüfung Kenntnisse von der Zahlungspflicht gehabt. Der Bescheid des Finanzamtes sei am 23.10.2008 bestandskräftig geworden, so dass die Säumniszuschläge ab dem 01.11.2008 bis zum 31.01.2010 zu berechnen gewesen seien.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, mit dem vorgenannten Bescheid seien Nachforderungen für einen Zeitraum bis einschließlich des Jahres 2003 erhoben worden. Der Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 31.05.2006 sei aber bereits am 23.06.2006 geprüft worden. Diesbezüglich liege mithin eine unzulässige Doppelprüfung vor. Bei der seinerzeitigen Prüfung seien keinerlei Beanstandungen hinsichtlich der Fahrtkosten erhoben worden. Im Prüfbescheid vom 22.08.2006 finde sich hierüber nichts. Insoweit werde auch die Einrede der Verjährung erhoben. Die Beiträge seien nicht vorsätzlich vorenthalten worden. Eine Verletzung der Beitragspflicht sei auch nicht billige...