Entscheidungsstichwort (Thema)

Latrogene Medikamentenabhängigkeit und medikamenteninduzierter Kopfschmerz als Unfallfolgen

 

Leitsatz (amtlich)

Treten infolge eines Unfalls mit Schädel Hirn Trauma Kopfschmerzen auf und wird eine daraus resultierende Medikamentenabhängigkeit, insbesondere von Opiaten, durch Heilbehandlungen des Unfallversicherungsträgers ausgeweitet oder verstärkt, kann auch der medikamenteninduzierte Kopfschmerz Unfallfolge sein.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 24.10.2012 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2011 und unter Abänderung des Bescheides vom 05.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2011 verurteilt, dem Kläger aufgrund des Arbeitsunfalles vom 18.01.2006 eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v. H. ab 01.01.2009 zu gewähren.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind die Unfallfolgen und der Umfang der Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) anlässlich des Arbeitsunfalls vom 18.01.2006 streitig.

Am 18.01.2006 rutschte der 1962 geborene Kläger auf dem Weg von zu Hause zu seiner Arbeitsstätte auf einer Eisplatte aus und fiel auf den Hinterkopf. Daraufhin begab er sich ins Klinikum A-Stadt zur Behandlung. Dort schilderte er Kopfschmerzen, keine Bewusstlosigkeit, jedoch eine retrograde Amnesie für einen Zeitraum von 1 min. Er war örtlich, zeitlich und zur Person orientiert. Am Schädel fand sich eine okzipital (= am Hinterhaupt gelegen) quer verlaufende Hautverletzung von ca. 5 cm Länge und 5 mm Tiefe, nicht klaffend und unscharf begrenzt. Der Durchgangsarzt (D-Arzt) Dr. M. stellte die Diagnosen einer Kopfplatzwunde okzipital und einer Commotio cerebri (D-Arzt-Bericht vom 18.01.2006). Die Wunde wurde genäht, und es folgte eine stationäre Aufnahme zur Überwachung. Bei Entlassung am 20.01.2006 waren die beklagten Kopfschmerzen rückläufig (Entlassungsbericht vom 19.01.2006).

Am 02.02.2006 wurde der Kläger vom Neurologen Dr. N. behandelt. Er klagte über anhaltende Kopfschmerzen, verstärkten Schwindel und eine Verschlimmerung des vorbestehenden Tinnitus. Unabhängig von den geklagten Beschwerden war der neurologische Befund unauffällig. Wegen des Verdachts auf eine Contusio labyrinthi und einer Schallempfindungsschwerhörigkeit wurde der Kläger am 02.02.2006 beim HNO-Arzt Dr. S. behandelt. Dieser konnte keine Einschränkung der Gleichgewichtsfunktion und des Hörvermögens feststellen.

Nach dem Befundbericht des Neurologen Dr. S. vom 18.04.2007 bestand ein posttraumatischer Kopfschmerz nach okzipitaler Schädelprellung und Commotio cerebri. Außerdem äußerte Dr. S. den Verdacht auf Vorliegen einer abgelaufenen Halswirbelsäulendistorsion.

Aufgrund der anhaltenden Beschwerden wurde am 09.05.2007 die Erstellung einer Kernspintomographie des Schädels veranlasst. Es fand sich ein altersentsprechender, unauffälliger Befund. Morphologisch zeigten sich keine fassbaren Traumafolgen.

Zur stationären Heilverfahrenskontrolle wurde der Kläger vom 06.08.2007 bis 07.09.2007 stationär in die Unfallklinik M. aufgenommen. Nach deren Abschlussbericht vom 05.09.2007 berichtete der Kläger, nach dem Sturz initial bewusstlos gewesen zu sein, nach kurzer Zeit aber wieder das Bewusstsein erlangt zu haben. Während des Aufenthalts im Klinikum A-Stadt hätten die Beschwerden begonnen. Nach der klinischen und radiologischen Untersuchung zeigten sich Hinweise auf unfallfremde degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule. Der Kläger wurde in intensiven Gesprächen auf die Gefahr der Entwicklung eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes durch längerfristige Einnahme von NSAR aufmerksam gemacht.

Am 05.09.2007 fand in der Unfallklinik M. ein Gespräch mit einem Berufshelfer der Beklagten statt. Darin schilderte der Kläger, dass der Kopfschmerz unverändert vorhanden sei. Lediglich die Nackenverspannungen hätten sich im Laufe der Behandlung an der Unfallklinik M. gelöst. Der Kläger sei als Bauleiter bei der X. GmbH in A-Stadt tätig. Hier sei er als Elektromeister im Bereich Freileitungsbau für Wartung und Aufbau zuständig. Er übe eine Schreibtischtätigkeit aus. Vom Büro aus kümmere er sich um die benötigten Materialien sowie die Planungen der Baustellen. Des Weiteren müsse er auch selbst zur Bauaufsicht vor Ort fahren und ggf. die Arbeitsvorbereitung hinsichtlich der Materialzusammenstellung im Lager überwachen. Er arbeite aber nicht auf den Baustellen oder im Bereich der Arbeitsvorbereitung mit. Hier übernehme er lediglich die Kontrolltätigkeiten. Der Kläger bat um Prüfung eines Rentenanspruchs, da ihm eine Rente helfen würde, die Arbeitszeit zu reduzieren, um so eine Verbesserung seiner Schmerzproblematik zu erzielen.

Im Auftrag der Beklagten erstellte der Chirurg Dr. W. das Gutac...

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