Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistungen: Fortschreibung der notwendigen persönlichen Bedarfe

 

Leitsatz (amtlich)

Eine behördliche oder gerichtliche Fortschreibung der notwendigen persönlichen Bedarfe nach § 3 AsylbLG a.F. kommt in den Jahren 2017 bis 2019 mangels gesetzgeberischen Tätigwerdens nicht infrage.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26. Februar 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger im Wege eines Überprüfungsantrags im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 10.08.2018 Anspruch auf höhere laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) hat.

Der Kläger, nach eigenen Angaben 1993 geboren und Staatsangehöriger Sierra Leones, reiste am 11.05.2017 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Die Regierung von Schwaben wies ihn ab dem 16.11.2017 einer Gemeinschaftsunterkunft im Gebiet des Beklagten zu (Bescheid vom 07.11.2017). Der Kläger erhielt Aufenthaltsgestattungen.

Der Beklagte gewährte dem Kläger zunächst ab dem 16.11.2017 bis auf weiteres Grundleistungen nach dem AsylbLG i.H.v. monatlich 320,14 EUR (Bescheid vom 27.11.2017); Einkommen oder Vermögen wurden nicht angerechnet. Ab dem 11.08.2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger dann bis auf Weiteres sog. Analogleistungen (monatlich 356,65 EUR), wobei er auch eine Regelung hinsichtlich des Leistungsbetrags in der Zeit vom 01.08.2018 bis 10.08.2018 vornahm (Bescheide vom 04.12.2018, 05.12.2018 und 11.01.2019).

Mit Faxschreiben vom 27.06.2019 wurde für den Kläger beim Beklagten die Überprüfung der bestandskräftigen Leistungsbescheide ab Januar 2018 beantragt. Die Leistungen seien seit 2016 nicht angepasst worden, obwohl die neue Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2013 vorliege und der Regelbedarf nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) bereits zum 01.01.2017 angepasst worden sei.

Später wurde beantragt, die bestandskräftigen Bescheide für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 10.08.2018 zu überprüfen (Schriftsatz vom 02.08.2019).

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.08.2019 den Antrag auf Rücknahme von Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01.01.2018 bis 10.08.2018, welche 320,14 EUR monatlich überstiegen, ab. Die Regelsatzerhöhung sei weder vom Gesetzgeber noch vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veranlasst worden. Es sei nicht möglich, eine Fortschreibung der Leistungssätze ohne eine Umsetzung der EVS 2013 durch eine Änderung des AsylbLG durchzuführen. Die Geldbeträge würden mittels wertender Entscheidung des Gesetzgebers festgesetzt. Allein an diese könne eine Fortschreibung anknüpfen.

Die Regierung von Schwaben wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2019 zurück.

Der Widerspruchsbescheid wurde am 11.11.2019 an die Prozessbevollmächtigte des Klägers versandt und ging in deren Kanzlei laut Stempelaufdruck am 14.11.2019, ein Donnerstag, ein; das Empfangsbekenntnis datiert jedoch vom 18.11.2019.

Dagegen ist am 16.12.2019 beim Sozialgericht Augsburg (SG) mittels eines nicht unterzeichneten Schreibens der Prozessbevollmächtigten des Klägers per Fax eine Klageschrift eingegangen. Am Folgetag ist - ebenfalls per Fax - beim SG eine weitere Klageschrift - diesmal mit Unterschrift - in derselben Sache eingegangen; dieser Schriftsatz ist nochmals per Post am 23.12.2019 ans SG gelangt. Die Grundleistungen beruhten weder auf einer ordnungsgemäßen Berechnungsgrundlage noch werde der Bedarf gedeckt. Da auch bei den im AsylbLG berücksichtigten Bedarfen das Statistikmodell und damit die Ergebnisse der aktuellen EVS zu berücksichtigen seien, bestehe mit Vorliegen der EVS 2013 ein entsprechender Überprüfungsbedarf. An einer Fortschreibung fehle es dennoch. Die Verpflichtung zur Neufestsetzung der Leistungssätze durch den Gesetzgeber lasse sich nicht ersetzen. Etwas anderes ergebe sich jedoch im Hinblick auf die unterbliebene Fortschreibung. Die Höhe des fortgeschriebenen Geldbetrages ergebe sich aus der Veränderungsrate nach § 28a SGB XII selbst, ohne dass es eines Umsetzungsaktes bedürfe. Auch bei fehlender Bekanntgabe der fortzuschreibenden Grundleistungen durch das BMAS ändere sich nichts daran, dass der Anspruch auf die höheren Leistungen bereits mit Veröffentlichung der maßgebenden Fortschreibungs-Verordnung verpflichtend sei. Solange die Regelbedarfe nicht nach § 28a SGB XII fortgeschrieben würden, gelte die bisherige Fortschreibungs-Verordnung bzw. -Veränderungsrate weiter. Dementsprechend bestimme sich die Veränderungsrate für den Wert der Grundleistungen für 2017 nach der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV) 2016, da es für 2017 keine RBSFV gegeben habe. Die Erhöhung für 2017 habe daher um 1,24 % zu erfolgen. Da es für das Jahr 2018 die RBSFV 2018 gebe, habe die Erhöhung für den Wert der Grundleistungen in Höhe von 1,63 % zu erfolgen.

Der Beklagte hat erwidert, die Fortschreibung...

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