Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Klageänderung in der Berufungsinstanz

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Klageänderung nach § 99 SGG in der Berufungsinstanz setzt neben Einwilligung oder Sachdienlichkeit die Zulässigkeit der Berufung voraus.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.05.2020; Aktenzeichen B 6 KA 2/20 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG München vom 10.07.2019, S 28 KA 230/18, wird als unzulässig verworfen.

II. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahren zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses für das Quartal 2/2000 aufgrund einer Einzelfallprüfung in Höhe von 485,26 Euro.

Der Kläger nahm bis Ende November 2002 als Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurg an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Die Beigeladene zu 2. stellte am 29.3.2001 für das Quartal 2/2000 einen Antrag auf Überprüfung der vertragsärztlichen Verordnungsweise nach § 21 der damals gültigen Prüfungsvereinbarung (Arzneimittel) bzgl. der Patienten DJ61 und HJ64 wegen der Verordnungen von Bio Oss. Der Prüfungsausschuss setzte mit Bescheid vom 13.8.2001 einen Regress in Höhe von 949,07 DM fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte zurück (Bescheid vom 7.3.2002). Auf die daraufhin erhobene Klage (S 38 KA 1242/02, nach Ruhen fortgeführt unter dem Az. S 38 KA 114/12) hob das Sozialgericht München (SG) den Bescheid vom 7.3.2002 mit Urteil vom 16.10.2013 auf und verurteilte den Beklagten zur Neuverbescheidung.

Das Bayerische Landessozialgericht (BayLSG) verwarf die Berufung des Klägers als unzulässig (Az. L 12 KA 202/13). Die hiergegen erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Az. B 6 KA 41/15 B) hat das Bundessozialgericht verworfen (Beschluss vom 29.7.2015).

Der Beklagte wies sodann nach erneuter Prüfung den Widerspruch des Klägers gegen den Prüfbescheid vom 13.8.2001 zurück (Bescheid vom 14.2.2018) und setzte einen Regress in Höhe von 485,26 Euro fest. In dem streitgegenständlichen Quartal lägen weder Behandlungsausweise für die zu überprüfenden Patienten DJ61 und HJ64 noch entsprechende Dokumentationen vor. Daher könne eine Überprüfung der Verordnungen nicht stattfinden, so dass die Verordnungen zu regressieren seien.

Auf die hiergegen vom Kläger erhobene Klage hob das SG mit Gerichtsbescheid vom 10.7.2019 antragsgemäß den Bescheid des Beklagten vom 14.2.2018 auf. Der Beklagte habe übersehen, dass die streitgegenständlichen Verordnungen von Bio Oss (Patient DJ61 vom 24.5.2000 sowie Patient HJ64 vom 11.4.2000) bereits Gegenstand des Verfahrens S 28 KA 229/18 seien. In der diesem Verfahren zugrundeliegenden Entscheidung habe der Beklagte die Verordnung bezüglich des Patienten DJ61 vom 24.5.2000 bereits regressiert, die Verordnung bezüglich des Patienten HJ64 vom 11.4.2000 hingegen als nachvollziehbar und nicht zu beanstanden gewertet. Der streitgegenständliche Regress sei daher wegen Doppelregressierung (Patient DJ61) sowie wegen widersprüchlichen Verhaltens des Beklagten (Patient HJ64) aufzuheben. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger mit einem beim Bayer. Landessozialgericht am 16.7.2019 eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt. Eine Begründung erfolgte nicht.

Mit gerichtlichen Schreiben vom 19.7.2019 und 21.8.2019 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sei. Es bestehe schon kein Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittel, da das SG dem Klageantrag des Klägers voll entsprochen und den streitgegenständlichen Bescheid aufgehoben habe. Zudem wäre eine Berufung auch nicht statthaft, da bei einer streitigen Summe von 485,26 Euro die Berufungssumme von 750,00 Euro nicht erreicht sei und eine Berufung vom SG auch nicht zugelassen wurde. Eine Reaktion des Klägers auf diese Schreiben ist nicht erfolgt.

Mit Beschluss vom 13.09.2019 hat der Senat den Antrag des Klägers auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt.

Mit einem am 11.2.2020 beim BayLSG eingegangenen Schreiben hat der Kläger die Gesamtsituation aus seiner Sicht dargestellt und ausgeführt, er habe die Berufung aus grundsätzlichen Rechtsgründen eingelegt.

Der Kläger stellt den Antrag,

das Prüfungsverfahren, das Beschwerdeverfahren, das sozialgerichtliche Verfahren und das Berufungsverfahren für rechtsunzulässig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag des Klägers abzulehnen und die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die gerichtlichen Akten beider Instanzen mit den Az.: S 28 KA 230/18 und L 12 KA 35/19 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unzulässig.

Sie ist schon nicht statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro nicht übersteigt. Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdeg...

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