Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unangemessenheit der Unterkunftskosten. Wohnflächengrenze für 1-Personen-Haushalt in der Landeshauptstadt von Bayern. Angabe einer zu geringen Wohnflächengrenze in der Kostensenkungsaufforderung. Übernahme der unangemessenen Unterkunftskosten auch nach Ablauf des Übergangszeitraumes
Orientierungssatz
1. Ist nach den landerechtlichen Ausführungsbestimmungen für den sozialen Wohnungsbau in Bayern für einen 1-Personen-Haushalt bei einer Einzimmerwohnung eine Wohnfläche von 40 qm und bei einer Zweizimmerwohnung eine solche von 50 qm vorgesehen, so kann die angemessene Wohnfläche iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 nicht wegen Besonderheiten des Wohnungsmarktes in München generell auf 45 qm begrenzt werden. Dies würde eine Ungleichbehandlung gegenüber Hilfebedürftigen in anderen Wohnorten bedeuten, für die ein sachlicher Grund nicht zu erkennen ist.
2. Wenn die Unterkunftskosten die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 übersteigen, sind sie auch nach Ablauf des 6-Monats-Zeitraums des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 aF zu übernehmen, wenn in der Kostensenkungsaufforderung eine geringere als die als angemessen zu betrachtende Wohnflächengrenze angegeben war.
Nachgehend
Tenor
I. |
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Die Beklagte wird unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 28. August 2006 und des Bescheides vom 27. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2005 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. November 2005 bis 30. April 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 978,03 EUR statt 888,81 EUR zu zahlen. |
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Bezüglich der übrigen Anträge wird die Klage abgewiesen.
II. |
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Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. |
III. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II ab 01.11.2005 streitig.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit ab 01.01. bis 30.04.2005 Alg II in Höhe von monatlich 978,03 EUR, wobei sie Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) von 633,03 EUR übernahm. Mit Schreiben vom 22.04.2005 teilte sie dem 1945 geborenen Kläger mit, es sei eine Kaltmiete von 521,52 EUR (zuzüglich Nebenkosten) berücksichtigt worden; diese liege derzeit um 92,02 EUR über der für seine Haushaltsgröße angemessenen Mietobergrenze von 429,50 EUR. Er werde aufgefordert, sich ab sofort intensiv um die Senkung der Unterkunftskosten (z.B. durch Untervermietung oder Wohnungswechsel) zu bemühen und diese Bemühungen bis 30.06.2005 jeden Monat unaufgefordert am Monatsende zu belegen. Bei der Berechnung der Leistung könnten ab 01.07.2005 die Kosten nur noch mit der angemessenen Mietobergrenze von 429,50 EUR berücksichtigt werden.
Mit Bescheid vom 28.04.2005 bewilligte die Beklagte weiterhin für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2005 monatlich 978,03 EUR und wies daraufhin, die mit Schreiben vom 22.04.2005 genannte Frist werde bis zum 31.10.2005 verlängert.
Am 10.06.2005 sprach der Kläger beim Sachbearbeiter vor. Nach dem diesbezüglichen Aktenvermerk legte er Ausschnitte aus Zeitungen und Notizen zu Telefongesprächen, die seine Bemühungen um eine kostengünstigere Wohnung dokumentieren sollten, vor. Ihm wurde eine Aufstellung über die "Mietobergrenzen Landeshauptstadt München (Stand 01.05.2002)" übergeben.
Der Kläger legte in der Folge monatsweise Ausschnitte aus Zeitungsannoncen und Notizen über seine Bemühungen mit Erklärungen, warum es nicht zu einem Mietvertrag gekommen sei, vor.
Mit Bescheid vom 27.09.2005 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich 888,81 EUR. Bemühungen um die Senkung der Kosten habe er nicht in geeigneter Weise nachgewiesen. Das Einreichen von Zeitungsanzeigen sei kein ausreichender Nachweis, dass er sich ernsthaft um eine Kostenreduzierung bemüht habe. Die angemessenen Kosten für eine Wohnung in der Baualtersklasse 3 würden nach der Mietpreistabelle (Stand 01.05.2002) in seinem Fall 429,50 EUR betragen.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und gab an, statt auf Wohnungen von 20 qm Größe habe er sich mehr auf Wohnung von 40 qm und größer inklusive Einbauküche beschränkt. Niemand habe ihm erklären können, wie er mit seinen benötigten Möbeln aus seiner Zweizimmerwohnung in ein kleines Appartement umziehen könne. Da er kein Fachmann sei, sei es ihm auch nicht möglich, die Möbel ab- und aufzubauen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bezüglich der festgelegten Mietobergrenzen sei auf das örtliche Mietzinsniveau und dort jeweils auf den unteren Bereich der marktüblichen Wohnungsmieten für nach Größe und Wohnstandard zu berücksichtigende Wohnungen abzustellen. Geeignete Nachweise um Bemühungen um die Senkung der Wohnkosten seien unt...