Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei einer psychischen Erkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine psychische Störung ist nur dann von erwerbsmindernder Bedeutung, wenn sie weder aus eigenen Kräften noch unter ärztlicher Hilfe überwunden werden kann.

2. Für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast.

3. Bei Schmerzgeschehen sind wegen der weitgehend auf subjektiven Angaben beruhenden Beschwerden insbesondere die Beeinträchtigung des Tagesablaufs durch die Schmerzen wie auch Leidensdruck und Behandlungsintensität in die sozialmedizinische Beurteilung einzustellen.

 

Orientierungssatz

1. Zum Leitsatz 1 vgl BSG vom 12.9.1990 - 5 RJ 88/89.

2. Zum Leitsatz 2 vgl BSG vom 1.7.1964 - 11/1 RA 158/61 = BSGE 21, 189 = SozR Nr 39 zu § 1246 RVO sowie vom 21.10.1969 - 11 RA 219/66 = SozR Nr 76 zu § 1246 RVO.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.07.2012; Aktenzeichen B 13 R 463/11 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 25.08.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1960 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie übte von 1976 bis 1997 eine Tätigkeit als Näherin aus, seit 1997 war sie zuletzt bis 31.07.2004 als Kassiererin bei einem Einzelhandel-Discounter versicherungspflichtig beschäftigt, danach folgten Arbeitsunfähigkeits- und Arbeitslosigkeitszeiten.

Die Klägerin absolvierte vom 06.11.2003 bis 04.12.2003 eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Laut Reha-Entlassungsbericht vom 11.1.2.2003 erfolgte die Rehabilitation aufgrund Zustand nach Bandscheibenvorfall C3/4 rechts 8/03, Cervicobrachialgie mit funktionellen Störungen der HWS und Mißempfindungen beider Hände. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig entlassen. Ihr wurde ein wenigstens sechsstündiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt attestiert.

Am 25.07.2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.11.2005 ab. Mit Widerspruch vom 12.12.2005 machte die Klägerin geltend, sie sei nicht mehr in der Lage, sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein, sie verwies dabei auf zwei Gutachten nach Aktenlage von Dr. P. im Auftrag der Agentur für Arbeit vom 15.12.2005 und 19.07.2005, in denen ein unter dreistündiges Leistungsvermögen festgestellt worden sei.

Die Beklagte beauftragte den Neurologen und Psychiater Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser diagnostizierte auf seinem Fachgebiet keine wesentliche erwerbsmindernde Erkrankung und kam am 31.01.2006 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch wenigstens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besondere Funktionseinschränkungen tätig sein.

Der von der Beklagten ebenfalls beauftragte Orthopäde und Rheumatologe Dr. S. diagnostizierte ein Fibromyalgiesyndrom, Impingement- Syndrom beider Schultern mit funktionellen Ausfällen, Meniskopathie, Osteopenie und Zustand nach Nucleotomie C3/4 mit Restbeschwerden. Er kam am 14.04.2006 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne die Tätigkeit als Kassiererin nur noch unter drei Stunden täglich wegen der damit verbundenen hohen Belastung der Schulter- und Kniegelenke verrichten. Ohne weitere Begründung gab er an, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur unter drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus unter Vermeidung von Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten mit besonderer Belastung der Wirbelsäule und der Knie verrichten. In einer sozialmedizinischen Stellungnahme nahm die Beratungsärztin der Beklagten, Dr. N., am 28.04.2006 dazu Stellung und kam zu dem Ergebnis, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch wenigstens sechs Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen tätig sein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Daraufhin hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG), eingegangen am 17.07.2006 erhoben. Im Wesentlichen hat sie auf ein im Auftrag der Arbeitsagentur von Dr. P. erstelltes Gutachten nach Aktenlage vom 06.09.2006 verwiesen, wonach die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne.

Das SG hat die medizinischen Unterlagen beigezogen und den Orthopäden und Rheumatologen Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat folgende wesentliche Gesundheitsstörungen beschrieben: Fibromyalgiesyndrom, zum Teil nachvollziehbare Schmerzsymptomatik der Halswirbelsäule bei Zustand nach Bandscheibenvorfall C3/4, Schmerzsymptomatik der Lendenwirbelsäule ohne wesentliche funktionellen Einbußen sowie Schmerzsymptomatik beider...

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