Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rückwirkende Leistungserbringung
Leitsatz (amtlich)
Ein Verschulden oder Nichtverschulden ist für die Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X ohne Belang.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 03.01.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Nachzahlung aus seiner Altersrente für weiter zurückliegende Zeiträume hat.
Der 1942 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und am 21.08.1979 aus Polen nach Deutschland zugezogen. Er verfügt über einen Vertriebenenausweis A.
Im Jahr 2005 begann die Beklagte mit einer Kontenklärung, die im Jahr 2007 abgeschlossen wurde. Am 24.08.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 11.12.2007 ab 01.09.2007 Regelaltersrente in Höhe von 698,19 Euro zuzüglich eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 48,53 Euro, mithin 746,72 Euro. Im Rentenbescheid wurden Hinweise zur Berücksichtigung von Zeiten gegeben und insbesondere die Zeiten in Polen nach dem deutsch-polnischen Rentenversicherungsabkommen 1975 berücksichtigt. Dabei wurden einzelne Zeiten als nachgewiesen angesehen, andere nur als glaubhaft gemacht angesehen und mit nicht erhöhten Tabellenwerten, d.h. zu 5/6 berücksichtigt. In einem Neufeststellungsbescheid vom 22.01.2008 wurde die Rente von Rentenbeginn an neu festgestellt, nunmehr mit dem erhöhten Zahlbetrag von 774,34 Euro, wobei 27,5607 persönliche Entgeltpunkte und ein Rentenartfaktor von 1,0 zugrunde gelegt worden waren.
Ein anschließendes Widerspruchsverfahren ist ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 13.07.2009). Die Kürzung der ermittelten Entgeltpunkte für die glaubhaft gemachten Beitragszeiten vom 30.06.1960 bis 30.10.1962 und vom 16.10.1964 bis 07.11.1975 sei nicht zu beanstanden.
Mit einem auf den 17.01.2016 datierten Schreiben beantragte der Kläger am 22.01.2016 die Überprüfung seiner Rente nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Er begehrte eine höhere Qualifikationsgruppe für die Zeiten in Polen. Außerdem habe er eine Bescheinigung des Militärarchivs in O. vom 25.11.2015, aus der sich - fehlende - Krankheitszeiten für die Zeit der Beschäftigung vom 01.06.1966 bis 31.03.1972 ergeben würden.
Die Beklagte kam im Überprüfungsverfahren zum Ergebnis, dass für die Zeit vom 01.06.1966 bis 29.02.1976 und vom 17.03.1978 bis 22.08.1979 ein entsprechender Nachweis geführt sei und die Zeiten nicht nur glaubhaft gemacht seien. Sie stellte mit Bescheid vom 30.03.2016 die Altersrente des Klägers rückwirkend neu fest. Die monatliche Rente betrage 884,17 Euro, der Zuschuss zur Krankenversicherung 64,55 Euro, so dass sich ein monatlicher Zahlbetrag von 948,72 Euro ergebe. Im Bescheid wurde ausgeführt, dass die höhere Leistung längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme des Bescheides erbracht werde. Dabei werde der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen werde oder der Antrag auf Rücknahme des Bescheides gestellt worden sei. Im Fall des Klägers ergab sich eine Nachzahlung aus dem Differenzbetrag zwischen der erhöhten und der bisher bereits gezahlten Altersrente für die Zeit ab 01.01.2012 in Höhe von 4.201,38 Euro.
Mit einem undatierten Schreiben, das am 29.04.2016 bei der Beklagten einging, legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, eine Nachzahlung nur für die letzten vier Jahre seiner Rente erhalten zu haben, obwohl er seit neun Jahren Rentner sei. Zur Begründung gab er an, es habe lange gedauert, die Arbeitszeugnisse aus der Militärzeit zu erhalten. Es sei nicht sein Verschulden, dass er sie erst so spät erhalten habe. Das sei erst nach Eintritt Polens in die EU möglich gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2016 zurück. Im Fall des Klägers käme § 44 Abs. 4 SGB X zur Anwendung. Das Überprüfungsverfahren sei im Januar 2016 eingeleitet worden und der Neuberechnungsbescheid im März 2016 erteilt worden. Der 4-Jahres-Zeitraum belaufe sich somit auf die Zeit ab 01.01.2012. Bei dieser 4-Jahres-Frist handele es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, die stets und selbst dann gelten würde, wenn den Rentenversicherungsträger ein Verschulden treffen würde (BSG, Urteil vom 15.12.1995, Az. 10 RKg 11/92).
Mit Schreiben vom 15.07.2016 hat sich der Kläger am 28.07.2016 an das Sozialgericht Bayreuth (SG) gewandt und geltend gemacht, auch in strengen Gesetzen gebe es Ausnahmen und er hoffe auf eine für ihn positive Entscheidung. Dies sei im Hinblick auf seinen Lebenslauf gerechtfertigt. Er habe sich seit Jahren immer wieder bemüht, die Arbeitszeiten nachzuweisen...