Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. "grundsicherungsrelevanter Mietspiegel" der Stadt Augsburg. fehlende Repräsentativität der Daten
Leitsatz (amtlich)
Zu den Mietobergrenzen und den Anforderungen an die realitätsgerechte Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II in der Stadt Augsburg im Zeitraum September 2015 bis Juli 2017.
Orientierungssatz
1. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage für die Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten muss auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben. Das kann ua dann der Fall sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R = FEVS 60, 145 = juris RdNr 16).
2. Dabei ist eine Auswertung nur des Wohnungsbestandes bestimmter Anbieter bei der Erstellung des Konzepts zulässig, wenn gleichzeitig gewährleistet ist, dass hierdurch das untere Mietpreisniveau des gesamten örtlich in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes realistisch abgebildet wird.
3. Zwar stützt sich der "grundsicherungsrelevante Mietspiegel" der Stadt Augsburg auf eine Datenbasis von 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Wohnungsbestandes, die ihm zugrunde gelegte Datenbasis ermöglicht aber dennoch kein realitätsgerechtes Abbild der (im Vergleichszeitraum bzw streitigen Zeitraum) aktuellen Situation bei Neuanmietungen, da rund 95 % der Datensätze von sieben Anbietern bzw rund 84 % der Datensätze von drei Anbietern stammen und nicht erkennbar ist, dass diese Anbieter den in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestand derart beherrschen würden.
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum 1.7. bis 31.12.2015 sowie vom 1.1. bis 30.4.2016 insbesondere unter dem Gesichtspunkt, ob die dem Kläger und Berufungsbeklagten (in der Folge: Kläger) bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung angemessen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II sind.
Dabei geht es - nachdem im Verfahren L 7 AS 408/15 zwischen den Beteiligten streitig war, ob der Beklagte die Leistungen für Unterkunft und Heizung auf der Grundlage des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels aus August 2013 mit Nachbesserungen aus Juli 2017 im Zeitraum November 2014 bis April 2015 absenken durfte (vgl Urteil des Senats vom selben Tag) - vorliegend insbesondere darum, ob der Beklagte eine entsprechende Absenkung im Folgezeitraum aufgrund der Fortschreibung des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels entsprechend des Verbraucherindex ab September 2015 vornehmen durfte.
I
Der Beklagte und Berufungsbeklagte (in der Folge: Beklagter) nimmt für das Gebiet der kreisfreien Stadt A. als gemeinsame Einrichtung (§ 44 Abs 1 S 2 HS 1 SGB II) die Aufgaben der Träger nach dem SGB II wahr. Bei im streitigen Zeitraum rd 280 000 Einwohnern (vgl www.statistik.bayern.de) waren von rd 145 000 Wohnungen in Gebäuden mit Wohnraum rd 93 000 zu Wohnzwecken vermietet (vgl Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, zensus 2011, Gebäude und Wohnungen sowie Wohnverhältnisse der Haushalte, Kreisfreie Stadt A. am 9.5.2011). Von den Wohnungen in Gebäuden mit Wohnraum standen rd 35 000 im Eigentum von Wohnungsgenossenschaften, Kommunen oder kommunalen Wohnungsunternehmen, privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen, anderen privatwirtschaftlichen Unternehmen, Bund oder Land oder Organisationen ohne Erwerbszweck (zB Kirchen) (vgl Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, aaO). Mietwerterhebungen für das gesamte Stadtgebiet oder (qualifizierte) Mietspiegel fehlten (zumindest) bis Februar 2013 und liegen - über die Datenbasis des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels hinaus für den streitigen Zeitraum bis heute nicht vor.
Auf dieser Grundlage beauftragte der zum Verfahren zuständige kommunale Träger die R. GbR, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, mit der Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Mietspiegels zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für die Stadt A., den diese im Augst 2013 (in der Folge: Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel) und nach Überarbeitung im Verfahren L 7 AS 408/15 (in der Folge: Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel, Juli 2017) wie folgt erstellte:
1. Der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel berechnet in einem ersten Schritt an Hand von Bestandsmieten die Angemessenheitsgrenze bestehend aus angemessenen Nettokaltkosten und angemessenen Betriebskosten. In einem zweiten Schritt überprüft er, ob Leistungsberechtigte tatsächlich die Möglichkeit...