Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers: Nachträgliche Bewilligung von Arbeitslosengeld bei zwischenzeitlichem Bezug von Arbeitslosengeld II. Erfüllungswirkung
Leitsatz (amtlich)
Die Erfüllungswirkung des § 107 SGB X tritt bei tatsächlich gezahltem Arbeitslosengeld II, aber vorrangigem Anspruch auf Arbeitslosengeld, das erst nachträglich bewilligt wird, nicht im Umfang von 56% der im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II berücksichtigten Unterkunftskosten ein.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.07.2016 teilweise aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 22.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2016 verurteilt, dem Kläger weiteres Arbeitslosengeld in Höhe von 1.507,12 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger 1/4 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Verrechnung einer Nachzahlung von Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 7.407,60 € mit Erstattungsansprüchen des Beigeladenen für den Zeitraum vom 09.07.2013 bis 07.05.2014.
Der Kläger, der über eine abgeschlossene Ausbildung als Kaufmann im Groß- und Außenhandel verfügt, bezog u.a. im Zeitraum vom 09.07.2013 bis 07.05.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beigeladenen. Im Rahmen der Leistungsbewilligung wurden dabei Unterkunftskosten iHv 220 € monatlich zzgl. 50 € kalte Nebenkosten berücksichtigt (Bescheide vom 08.01.2013, 03.07.2013 und 07.01.2014).
Am 11.05.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Nachzahlung von Alg für die Zeit vom 05.07.2013 bis 31.07.2014. Einen zunächst erteilten Ablehnungsbescheid vom 19.05.2015 hob die Beklagte im Rahmen eines dagegen durchgeführten Widerspruchsverfahrens mit Bescheid vom 23.07.2015 wieder auf. Mit weiterem Bescheid vom 23.07.2015 wurde die Gewährung von Alg erneut abgelehnt. Es fehle an einer persönlichen Arbeitslosmeldung, weshalb ab 05.07.2013 kein Alg gezahlt werden könne. Im Rahmen des dagegen geführten Widerspruchverfahrens stellte die Beklagte unter dem 28.09.2015 in einem Aktenvermerk fest, der Kläger habe beim Reha-Berater am 09.09.2014 persönlich vorgesprochen, wobei u.a. auch die Arbeitslosigkeit thematisiert worden sei. Dies sei als Nachholung der persönlichen Arbeitslosmeldung zu werten. Der Beigeladene habe den Kläger auch nicht auf das Erfordernis der persönlichen Arbeitslosmeldung hingewiesen. Am 09.07.2013 habe der Kläger erstmals persönlich nach Absolvierung der Umschulung beim Beigeladenen vorgesprochen. Mit Bescheid vom 28.09.2015 wurde sodann der Bescheid vom 23.07.2015 aufgehoben. Alg könne ab dem 09.07.2013 gewährt werden. Es sei noch ein möglicher Erstattungsanspruch des Beigeladenen zu klären. Anschließend erhalte der Kläger einen abschließenden Bewilligungsbescheid.
Nachdem der Beigeladene für gezahltes Alg II in der Zeit vom 09.07.2013 bis 07.05.2014 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 7.407,60 € geltend gemacht hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22.10.2015 mit, ein anderer Leistungsträger habe für den Zeitraum vom 09.07.2013 bis 07.05.2014 einen Erstattungsanspruch, der in Höhe von 7.407,60 € erfüllt werde. In dieser Höhe gelte der Anspruch auf Alg als erfüllt (§ 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X). In diesem Umfang bestehe kein Anspruch auf Alg. Weiter wurde dem Kläger mit "Änderungsbescheid" vom 22.10.2015 Alg für die Zeit vom 09.07.2013 bis 07.05.2014 in Höhe von 28,67 € täglich (Leistungsentgelt 47,93 € täglich) bewilligt. Es wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, ein Betrag in Höhe von 1.220,40 € werde an den Kläger und im Übrigen ein Betrag von 7.407,60 € an den Beigeladenen gezahlt. Gegen die Bescheide vom 22.10.2015 legte der Kläger Widerspruch ein. Es sei im Rahmen der Erstattung die Vorschrift des § 40 Abs 4 SGB II nicht beachtet worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2016 wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Erstattungsanspruchs eines anderen Leistungsträgers zurück. Der Beigeladene habe Alg II für die Zeit vom 09.07.2013 bis 07.05.2014 im Umfang von 7.407,60 € gezahlt. Damit habe dieser einen Erstattungsanspruch in der Höhe der erbrachten Leistungen, da in diesem Zeitraum die Leistungsverpflichtung des Beigeladenen aufgrund der Leistungsgewährung der Beklagten nachrangig sei. Für diesen Fall bestimme § 107 Abs 1 SGB X, dass der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte durch die Leistung des Erstattungsberechtigten in diesem Umfang als erfüllt gelte. Die Regelung des § 40 Abs 4 SGB II sei nicht anzuwenden. Dieser finde im Zusammenhang mit den Regelungen der §§ 102 ff SGB X keine Anwendung, sondern nur im Bereich einer Erstattungspflicht nach § 50 SGB X iVm § 45 oder § 48 SGB X.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Es ...