Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsstreit über Kosten für medizinische Rehabilitationsleistung. Rentenversicherung. Krankenversicherung. Zuständigkeitsklärung. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 1 KR 6/18 R
Leitsatz (amtlich)
Ein erstangegangener Rehaträger kann keine Erstattungsansprüche gegenüber einem anderen Leistungsträger geltend machen, wenn seine Zuständigkeit nach Leistungsbewilligung, aber vor Leistungserbringung wegfällt und er trotz Kenntnis bzw Kennenmüssen seiner Unzuständigkeit die Leistung erbringt.
Orientierungssatz
1. Zum Streit zwischen einem Rentenversicherungsträger und einer Krankenkasse über die Erstattung von Kosten für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 14 Abs 4 S 1 SGB 9 und §§ 102ff SGB 10 unter Berücksichtigung des Ausschlusstatbestands des § 12 Abs 1 Nr 2 SGB 6.
2. Ein Erstattungsanspruch kann nicht aus der Gemeinsamem Empfehlung - aller Rehabilitationsträger - über die Ausgestaltung des in § 14 SGB 9 bestimmten Verfahrens ("Gemeinsame Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung") hergeleitet werden.
3. Zu den gesetzlichen Wertungen der Risikoverteilung zwischen den Leistungsträgern.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11.09.2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.333,22 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
Der 1948 geborene Versicherte A. (im Folgenden: Versicherter) ist serbischer Staatsbürger und beantragte im Alter von 60 Jahren am 28.10.2008 von der Klägerin Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (im Folgenden: Reha). Der Versicherte stand nach dem Verlust seiner Tätigkeit als Maurer seit dem 01.01.2007 im Arbeitslosengeldbezug. Er gab auf dem von der Beklagten gestempelten Antragsformular der Klägerin (G100, welches in Ziff. 18 eine "Bestätigung der Krankenkasse" enthält) an, in den nächsten sechs Monaten keine Altersrente zu beantragen. Im Beschlussbogen der Klägerin befürwortete der Prüfarzt Dr. Sch. unter dem 10.11.2008 Leistungen nach § 15 SGB VI für 5 Wochen. Die Klägerin bewilligte mit Bescheid vom 14.11.2008 stationäre Rehamaßnahmen. In den "ergänzenden Bestimmungen" zum Bescheid der Klägerin ist angegeben, dass die Zuständigkeit der Rentenversicherung nur gegeben sei, "wenn Sie bis zum Ende der Rehabilitationsleistung keine Rente wegen Alters von wenigstens 2/3 der Vollrente beantragt haben...".
Ausweislich des Gesamtkontenspiegels, den die Klägerin über den Versicherten führt, stellte der Versicherte am 19.11.2008 unter seiner Versicherungsnummer bei der Klägerin einen Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die Klägerin gab dem Antrag statt und gewährte dem Versicherten mit Bescheid vom 02.04.2009 ab dem 01.02.2009 die beantragte Rente als Vollrente.
Vom 29.12.2008 bis 04.02.2009 wurde die Rehamaßnahme in der Klinik H. durchgeführt. Laut Entlassbericht vom 06.02.2009 wurde der Versicherte vollschichtig arbeitsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei im Wesentlichen folgenden Diagnosen entlassen: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, posttraumatische Belastungsstörung, leichte depressive Episode, Rückenschmerzen, Typ-2 Diabetes.
Am 16.04.2009 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von 7.333,22 EUR geltend, da die erbrachte Leistung wegen § 12 Abs.1 Nr. 2 SGB VI ausgeschlossen sei. Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab. Ein Ausschlussgrund liege nicht vor. Insbesondere seien die Voraussetzungen des § 12 Abs.1 Nr. 2 SGB V nicht gegeben, da zur Zeit der Antragstellung und Bewilligung der Rehamaßnahme der Versicherte weder eine Rente wegen Alters beantragt noch bezogen habe. Eine analoge Anwendung des § 12 Abs.1 Nr.2 SGB VI sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausgeschlossen.
Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben und die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch in § 103 SGB X gesehen. Der Ausschlusstatbestand des § 12 Abs.1 Nr. 2 SGB VI sei auch dann erfüllt, wenn der Antrag auf Altersrente nach Bewilligung der Rehaleistung gestellt worden sei. Für die vom 29.12.2008 bis 04.02.2009 durchgeführte Rehabilitationsleistung sei somit die Klägerin nach den Vorschriften des SGB VI nicht mehr zuständig gewesen, vielmehr sei die Zuständigkeit der Beklagten begründet. Nach herrschender Rechtsprechung stehe § 14 Abs. 4 SGB IX der Anwendung des § 103 SGB X beim erstangegangenen Rehabilitationsträger nicht entgegen. Die Beklagte ist dem Klagebegehren mit dem Argument entgegengetreten, für das Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 12 Abs.1 Nr. 2 SGB VI komme es auf den Zeitpunkt der Bewilligung der Rehamaßnahme an, nicht auf deren spätere Durchführung. Im Übrigen sei der Versicherte sei erst ca. 6 Wochen nach der Renten...