Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Anfechtung einer Erledigterklärung. Protokollierung. Widerruf. Überrumpelung

 

Orientierungssatz

1. Das prozessuale Institut der übereinstimmenden Erledigungserklärung findet auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung.

2. Prozessrechtliche Erklärungen sind nicht wegen Irrtums anfechtbar (BSG, 6. April 1960, 11/9 RV 214/57, BSG, 19. März 2002, B 9 V 75/01 B, BSG, 24. April 2003, B 11 AL 33/03 B).

 

Normenkette

ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 165 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 10.10.2017; Aktenzeichen B 12 KR 64/17 B)

 

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10.07.2012 vor dem Bayerischen Landessozialgericht durch die gerichtliche Teil-Erledigt-Erklärung vom 11.11.2014 beendet worden ist, soweit Beitragspflicht und Beitragshöhe für die Zeit vom 01.01.2010 bis 09.03.2010 sowie ab 01.08.2011 betroffen sind.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Rechtsstreit zur Versicherungs- und Beitragspflicht er Klägerin durch Erledigterklärung beendet ist.

1. Die Klägerin ist gesetzlich krankenversichertes Mitglied der Beklagten. Mit Klage vom 27.1.2011 zum Sozialgericht München hatte sie sich gegen ein Schreiben der Beklagten vom 9.9.2010 und die Bescheide vom 16.11.2010 sowie 1.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11.4.2011 gewandt mit dem Ziel, Versicherungs- und Beitragsfreiheit zu erreichen. Über die Berufung gegen den diesbezüglich abschlägigen Gerichtsbescheid vom 10. 7. 2012 hat der Senat am 11.11.2014 verhandelt. Dort haben die anwaltlich vertretene Klägerin sowie die Beklagte übereinstimmend folgende Teil-Erledigungserklärung zur Niederschrift abgegeben: "Wir erklären den Rechtsstreit für die Zeit 01.01.2010 bis 09.03.2010 sowie ab 01.08.2011, soweit dieser Zeitraum streitgegenständlich ist, übereinstimmend für erledigt." Diese Erklärung wurde protokolliert, vorgelesen sowie von den Beteiligten genehmigt. Der Rechtsstreit im Übrigen wurde durch rechtskräftiges Urteil des Senates vom gleichen Tag beendet (Verwerfung der klägerischen Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BSG vom 27.7.2015 - B 12 KR 26/15 B; zugehöriger Anhörungsrügenbeschluss BSG vom 11.9.2015 - B 12 KR 9/15 BH; zugehöriger Rügenverwerfungsbeschluss BSG vom 26.10.2015 - B 12 KR 7/15 C).

Einen Antrag der Klägerin, die Niederschrift vom 11.11.2014 zu berichtigen, hat der Senat mit rechtskräftigem Beschluss vom 30.4.2015 abgelehnt.

Eine Anhörungsrüge der Klägerin vom 25.11.2014, sie sei durch die Teilerledigungserklärung vom 11.11.2014 überrumpelt worden, hat der Senat mit rechtskräftigem Beschluss vom 4.3.2015 abschlägig beschieden (L 5 KR 514/14 RG).

Mit Schriftsatz vom 15.7.2015 an das Bayerische Landessozialgericht hat die Klägerin die Teil-Erledigt-Erklärung vom 11.11.2014 angefochten. Das Begehren wurde vor der Entscheidung des BSG vom 27.7.2015 - B 12 KR 26/15 B dorthin weitergeleitet.

2. Mit an das Sozialgericht Hamburg gerichtetem Schriftsatz vom 10.11.2015 hat die Klägerin die Teil-Erledigterklärung vom 11.11.2014 angefochten, weil sie unter bewusster Irreführung abgegeben sei. Im dortigen Verfahren S 48 KR 2039/15 hat die Beklagte betont, ein Begehren der Klägerin auf Beitragsniederschlagung sei Gegenstand eines Widerspruchsbescheides vom 8.9.2015 sowie des Klageverfahrens S 48 KR 1646/15, im Übrigen sei auf die Verfahren S 48 KR 487/15, S 48 KR 1126/15 sowie S 48 KR 1646/15 der Beteiligten vor dem Sozialgericht Hamburg Bezug zu nehmen. Diese Verfahren hat das Sozialgericht am 6.10.2016 im Beisein der Klägerin sowie deren Mutter verhandelt. Mit Beschluss vom 10.10.2016 hat das Sozialgericht das Verfahren S 48 KR 2039/15 an das Bayerische Landessozialgericht verwiesen.

3. Die Klägerin hat nach Ladung zur mündlichen Verhandlung u.a. zum Streitgegenstand erklärt, sie habe am 11.11.2014 überrascht auf die dortige Beklagtenerklärung reagiert. Sie bestreite die von der Beklagten für den strittigen Teilzeitraum angegebene Versicherung. Darüber hinaus hat die Klägerin auch geltend gemacht, sie habe die Rückzahlung von Beiträgen veranlasst, welche ihre Mutter übernommen habe, Beiträge seinen niederzuschlagen, die Beklagte haben erklärt, es stünden keine Beiträge mehr offen. Die Beklagte hat angegeben, die von der Teil-Erledigterklärung erfassten Beitragszeiträume seien durch Arbeitslosengeldbezug sowie Arbeitgebermeldung einer Beschäftigung abgedeckt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass das Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht nicht durch die gerichtlichen Teil-Erledigt-Erklärung vom 11.11.2014 nicht teilweise beendet worden ist sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10.7.2012 sowie das Schreiben der Beklagten vom 9.9.2010 und die Bescheide vom 16.11.2010 sowie vom 1.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11.4.2011 aufzuhebe...

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