Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Gewaltopfer. ärztliche Behandlung. tätlicher Angriff. feindselige Willensrichtung. sozialgerichtliches Verfahren. unzulässiger Klageantrag. fehlender richterlicher Hinweis in der ersten Instanz. Möglichkeit der Antragsumstellung in der Berufungsinstanz. Missbrauchskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Nachholung der Antragstellung im Berufungsverfahren bei im Verfahren vor dem Sozialgericht unzulässigem Klageantrag ohne gerichtlichen Hinweis im Verfahren vor dem SG.
2. Beschädigtenversorgung nach dem OEG wegen ärztlicher Behandlung.
Orientierungssatz
Es kann die Auferlegung von Missbrauchskosten rechtfertigen, wenn der Kläger nach ausführlichen Hinweisen des Gerichts in Kenntnis der klaren Rechtsprechung des BSG zur Anwendung des OEG auf ärztliche Behandlungen gleichwohl sein Begehren aufrechterhält, welches offensichtlich keinerlei Erfolg verspricht.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 30.01.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Kläger hat wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung Kosten in Höhe von 850,- € an die Staatskasse zu zahlen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger aus einer medizinischen Behandlung Ansprüche nach den Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG -) ableiten kann.
Der Kläger ist im Jahre 1938 geboren.
Mit Eingang am 02.12.2015 stellte der Kläger durch seine anwaltliche Bevollmächtigte beim Beklagten einen Antrag auf Leistungen für Gewaltopfer. Dabei trug er Folgendes vor:
Nach einem Unfall im März/April 2007, bei dem er sich bei der Gartenarbeit am rechten Knöchel und der Sehne verletzt habe, sei er von Dr. K. geröntgt worden. Dieser habe gesagt, es müsse eine Operation zur Sehnenrevision erfolgen. Er, der Kläger, habe aber um eine Überweisung ins Klinikum B-Stadt gebeten. Dr. K. habe daraufhin gesagt, er sei selbst Chirurg und könne ihn selbst operieren. Bei der Operation am 04.12.2007 in der L. T. durch Dr. K. sei es zu Pannen gekommen. So sei zunächst der falsche Fuß zur Operation vorbereitet worden. Der Narkoseärztin sei die Spritze auf den Boden gefallen. Er habe dann nach Hause gehen wollen, sei aber festgebunden gewesen. Dr. K. und weitere Personen hätten so lange auf ihn eingeredet, bis er nachgegeben und sich von Dr. K. operieren lassen habe. Seither habe er massivste Schmerzen. Es sei auf ihn massive psychische Gewalt ausgeübt worden, die Praxis des Dr. K. nicht zu verlassen. Er sei massivst fehlerhaft behandelt worden.
Der Beklagte zog die Gerichtsakte des zivilgerichtlichen Verfahrens beim Landgericht (LG) B-Stadt, Aktenzeichen XXX, bei, das der Kläger gegen Dr. K. wegen Schmerzensgeld angestrengt hatte. Darin finden sich zur Operation vom 04.12.2007 folgende Angaben:
* Mit Schriftsatz vom 03.11.2010 hatte die Bevollmächtigte des Klägers, die den Kläger auch im zivilgerichtlichen Verfahren vertreten hatte, gegenüber Dr. K. einen Schmerzensgeldanspruch des Klägers geltend gemacht und dies mit einem "krassen" ärztlichen Behandlungsfehler begründet; Ausführungen, wie es zur Operation am 04.12.2007 gekommen ist, enthält diese Schreiben nicht.
* Im Schriftsatz vom 01.12.2010 hatte die Bevollmächtigte des Klägers ausgeführt, dass die Operation vom 04.12.2007 zu keinerlei Besserung geführt habe und daher einen erheblichen ärztlichen Behandlungsfehler aufweise; Angaben zur unmittelbaren Vorgeschichte am Operationstag hatte sie nicht gemacht.
* Gegenüber den Gutachtern im zivilgerichtlichen Verfahren (orthopädisches Gutachten vom 05.05.2014 und radiologisches Zusatzgutachten vom 20.03.2014) hatte der Kläger zur Operation vom 04.12.2007 schriftlich Folgendes angegeben: "Am 04.12.2007 um 15.00 Uhr wurde es operiert von Dr. K.. Bevor ich operiert wurde, wurde der linke Fuß OP-fertig gemacht. OP-Schwester wollte mir Narkose spritzen. Ich sagte, was ist mit dem rechten Fuß. Ihr fiel die Spritze am Boden. Ich wollte dann nach Hause. Die sagten dann, ich brauche keine Angst haben. Dr. K. hat es selbst in seiner Praxis erzählt."
Die zivilgerichtlichen Sachverständigen waren zu der Einschätzung gekommen, dass die Operation am 04.12.2007 indiziert gewesen sei, dem Versorgungsstandard entsprochen habe und technisch korrekt durchgeführt worden sei; auch die Nachbehandlung sei korrekt erfolgt. Die zivilgerichtliche Klage war in erster (Urteil des LG B-Stadt vom 23.12.2014, XXX) und zweiter Instanz (Beschluss des Oberlandesgerichtes B-Stadt vom 19.08.2015, XXX) erfolglos geblieben.
Strafanzeige gegen Dr. K. hatte der Kläger nicht gestellt.
Mit Bescheid vom 01.02.2016 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass ein ärztlicher Eingriff, sofern dieser fachgerecht durchgeführt werde und medizinisch indiziert sei, keinen tätlichen Angriff im Sinne de...