Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Berufsunfähigkeit. anwendbares Recht. Rentenbeginn. Rentenantragsstellung nach dem 31.12.2000
Orientierungssatz
1. § 43 SGB 6 idF vom 24.3.1999 ist auch noch dann anzuwenden, wenn der Leistungsfall vor dem 1.1.2001 eingetreten ist, der Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aber erst im Januar 2002 gestellt worden ist.
2. Die fehlende Fälligkeit der Leistung (§ 41 SGB 1 iVm § 99 Abs 1 SGB 6) gehört wie der Rentenbeginn selbst nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen der Rente wegen Erwerbsminderung, so dass nach § 300 Abs 2 SGB 6 die ab 1.1.2001 aber bis zum 31.12.2000 noch geltende Fassung des § 43 SGB 6 anzuwenden ist.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.10.2004 aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 10.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2002 verurteilt, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung ab 01.01.2002 zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht Streit, ob die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 01.01.2002 Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei BU zu zahlen hat.
Der 1952 geborene Kläger hat immer in seinem erlernten Beruf als Maler und Verputzer versicherungspflichtig gearbeitet. Am 22.12.2000 erlitt er einen Unfall, bei dem es zu einem Knieverdrehtrauma kam, das zu einer Innenbandruptur führte. Mit Bescheid vom 05.06.2002 ist dieser Unfall von der Bau-Berufsgenossenschaft Bayern und Sachsen als Arbeitsunfall anerkannt.
Auf den Rentenantrag vom 08.01.2002 gelangte die Beklagte im Anschluss an die Gutachten des Chirurgen Dr. G. und des Internisten Dr. S. zu der Beurteilung, dass der Leistungsfall der BU beim Kläger durch den Unfall vom 22.12.2000 eingetreten sei.
Mit Bescheid vom 10.04.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Wirkung ab 01.01.2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei BU. Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger noch in der Lage sei, mit dem verbliebenen Leistungsvermögen Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von über 6 Stunden täglich zu verrichten. Widerspruch und Klage waren erfolglos. Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat die gegen den Bescheid vom 10.04.2002 / Widerspruchsbescheid vom 22.07.2002 erhobene Klage - gerichtet auf Rente wegen voller Erwerbsminderung - mit Urteil vom 14.10.2004 abgewiesen.
Gegen das am 27.10.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.11.2004 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass ihm Rente wegen BU nach altem Recht zustehe, weil das Stammrecht selbst (d.h. der Grundanspruch) mit der Erfüllung der gesundheitlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Entstehung gelangt sei. Auch hinsichtlich der Bestimmung des Rentenartfaktors sei auf den Zeitpunkt der Entstehung des Stammrechts abzustellen, hier also auf den von der Beklagten festgestellten Leistungsfall vom 22.12.2000, nicht aber auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns. Demzufolge sei nicht der Rentenartfaktor 0,5, sondern 0,6667 anzusetzen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Würzburg vom 14.10.2004 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2002 zu verurteilen, ihm Rente wegen BU unter Anwendung des bis 31.12.2000 gültigen Rechts zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung ihres Antrags trägt die Beklagte vor, ein Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen BU nach altem Recht bestehe nicht, da sich ein Rentenbeginn erst nach dem 31.12.2000 ergebe (Rentenbeginnsprinzip). Insbesondere werde der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 08.09.2005 - B 13 RJ 10/04 R - nicht gefolgt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die vom Senat beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
Das Rechtsmittel erweist sich als begründet. Auf den Antrag des Klägers war das angefochtene Urteil des SG Würzburg aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2002 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen BU nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung ab 01.01.2002 zu gewähren. Denn auf den Anspruch des Klägers ist noch das bis 31.12.2000 geltende Recht anzuwenden.
Bei dieser Entscheidung ist der Senat zunä...