Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. Subsidiarität. Familienlastenausgleich. Einkommensteuerpflicht. Arbeitnehmer. Entwicklungshelfer. Ausland. Unterhaltsleistungen. Regelungslücke. Existenzminimum
Leitsatz (redaktionell)
Kindergeld nach dem BKKG ist subsidiär zum steuerrechtlichen Familienlastenausgleich nach dem EStG. Angesichts dessen kommt für Kinder, für die einer anderen Person Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag nach dem EStG zusteht, kein Kindergeld nach dem BKKG in Betracht. Dies gilt unabhängig davon, bei wem das Kind lebt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BKKG §§ 1-3; EStG §§ 1, 31-32, 63-64; EhfG § 4; SGG §§ 86, 96, 160
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. März 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Kindergeld für zwei Kinder in der Zeit vom 01.02.1998 bis 31.12.1999 streitig.
Der im Jahre 1951 geborene, ehemals in O. wohnende Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, ist seit dem 25.08.1997 mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet, die in diese Ehe ihre leiblichen Kinder T., geb. 1985, und S., geb. 1990, mitbrachte. Die Ehegattin war bis zum 30.09.1997 im Öffentlichen Dienst tätig und bezog laut einer Bescheinigung des Arbeitsamts K. vom 26.08.1997 das Kindergeld bis einschließlich September 1997.
Unter Bezug auf einen vorgelegten Vertrag zwischen dem Kläger und dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) über die Ableistung von Entwicklungsdienst vom 01.01.1998 bis 31.03.2000 in Vietnam bei vorausgehender Inlands-Vorbereitungszeit vom 14.09. bis 31.12.1997 in B. beantragte der Kläger bei der Beklagten (Arbeitsamt N.) am 05.09.1997 "das Kindergeld für Entwicklungshelfer"; die Ehefrau war einverstanden, dass dem Kläger entsprechend seinem Antrag das Kindergeld gezahlt werde. Der Kläger gab noch an, dass die Eheleute oder alle Familienangehörigen ("wir") im Januar 1998 nach Vietnam ausreisen würden, wobei sich aufgrund späterer Angaben der 06.01.1998 ergab.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22.09.1997 lehnte die Beklagte unter dem Betreff "Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG)" den Kindergeldantrag ab, weil ein Kind bei dem nach dem BKGG (potentiell) anspruchsberechtigten Elternteil (§§ 1 und 2 BKGG) nicht berücksichtigt werden könne, wenn für dasselbe Kind einer anderen Person nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) das Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag zustehe (§ 2 Abs.4 BKGG); vorliegend stehe dem in der BRD wohnhaften und damit unbeschränkt steuerpflichtigen Vater der zwei Kinder ein Kinderfreibetrag zu.
Mit dem vom Kläger und dessen Ehefrau hiergegen eingelegten Widerspruch vom 17.10.1997, bei der Beklagten eingegangen als Telefax am 20.10.1997 und als Brief am 23.10.1997, brachten diese vor, die Kinder seien in ihren Haushalt aufgenommen und würden mit ihnen nach Vietnam ausreisen. Vom Gesetzgeber sei eindeutig und klar geregelt worden, dass Entwicklungshelfer weiterhin (gemeint: ab 01.01.1996 im Ausland) gemäß § 1 Abs.1 Ziffer 2 BKGG anspruchsberechtigt seien. Dem leiblichen Vater dürfte wegen auswärtigen Aufenthalts der Kinder und der fehlenden Aufnahme der Kinder in dessen Haushalt gemäß § 63 Abs.1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG kein Steuerfreibetrag mehr zustehen. Sollte die Beklagte dem Widerspruch nicht abhelfen können, so werde vorsorglich beantragt, der Ehefrau das Kindergeld nach dem EStG zu gewähren.
Die Beklagte wertete den Widerspruch (auch) als Antrag allein des Klägers auf Kindergeld nach dem EStG, bewilligte mit Bescheid vom 22.12.1997 unter dem Betreff "Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG)" dem Kläger Kindergeld für Oktober 1997 bis einschließlich Januar 1998 und lehnte im Übrigen den "Antrag vom 17.10.1997" ab, weil die Voraussetzungen ab Februar 1998 nicht mehr vorlägen. Kindergeld nach den Vorschriften des EStG erhalte, wer in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe (§ 62 Abs.1 Nr.1 EStG). Wer im Ausland wohne, habe Anspruch nach dem EStG nur dann, wenn er nach § 1 Abs.2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei oder nach § 1 Abs.2 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werde (§ 62 Abs.1 Nr.2a und Nr.2b EStG).
Hiergegen erhob ein vom Kläger bevollmächtigter Rechtsanwalt Einspruch ohne Begründung, legte aber die Bescheinigung über die Abmeldung eines Wohnsitzes des Klägers mit Familienangehörigen in der BRD im Dezember 1997 und die von der Deutschen Botschaft in Hanoi am 19.01.1998 ausgestellte Haushaltsbescheinigung vor.
Die Rechtsbehelfsstelle des Arbeitsamts N. wies den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 22.09.1997 (BKGG) mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.1998 (Rechtsbehelfsbelehrung: Klage zum Sozialgericht) und den Einspruch gegen den teilweise ablehnenden Bescheid vom 22.12.1997 (EStG) mit Einspruchsentscheidung vom 25.05.1998 (Rechtsbehelfsbelehrung: Klage zum Finanzgericht) zurück, we...