Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Beiträgen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 210 Abs 1a SGB 6 bei Ruhestandsbeamten aufgrund Dienstunfähigkeit. Verfassungsmäßigkeit. Vorlagepflicht nach Art 100 Abs 1 GG
Orientierungssatz
1. Ruhestandsbeamte aufgrund Dienstunfähigkeit erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 210 Abs 1a SGB 6, denn sie sind von der Versicherungsfreiheit nach § 5 SGB 6 nicht erfasst.
2. Auch liegt durch die Nichteinbeziehung von Ruhestandsbeamten aufgrund Dienstunfähigkeit in die Versicherungsfreiheit nach § 5 SGB 6 kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 GG vor.
3. Auch der Umstand, dass eine nicht versicherungspflichtige Person ohne Erfüllung der allgemeinen Wartezeit keinen Anspruch auf Beitragserstattung vor Erreichen der Regelaltersgrenze hat, verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (Anschluss an BSG vom 6.9.2017 - B 13 R 4/17 R = SozR 4-2600 § 210 Nr 5).
4. Die Nichtvorlage einer konkreten Normenkontrolle durch das Fachgericht kann die Garantie des gesetzlichen Richters nach Art 101 Abs 1 S 2 GG dann verletzen, wenn das Fachgericht in nicht vertretbarer Weise die verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes annimmt, von dessen Verfassungswidrigkeit es ansonsten überzeugt wäre (vgl BVerfG vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 = BVerfGE 138, 64). Für die Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG ist Voraussetzung, dass das Fachgericht von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes oder einer Norm erheblich überzeugt ist. Diese Überzeugung entscheidet mithin darüber, ob das BVerfG im jeweiligen Verfahren kraft Verfassungsrechts zum gesetzlichen Richter berufen ist (vgl BVerfG vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 aaO). Bloße Zweifel an der Verfassungswidrigkeit genügen dagegen nicht.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 21.12.2020 - S 56 R 478/20 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Beiträgen des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Der 1966 geborene Kläger stand seit dem 01.09.1992 in einem Beamtenverhältnis bei der Landeshauptstadt A. Zum 01.04.2008 wurde er wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Seitdem bezieht er ein monatliches Ruhegehalt nach den beamtenrechtlichen Versorgungsgrundsätzen.
Vor seiner Tätigkeit als Beamter bei der Stadt A kann der Kläger auf dem Versicherungskonto durchgehende Beitragszeiten mit Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitraum vom 01.09.1988 bis 31.08.1992 aufweisen. Am 10.09.2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung der gezahlten Pflichtbeiträge.
Mit Bescheid vom 10.10.2019 lehnte die Beklagte die Erstattung der Pflichtbeiträge ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 210 Abs. 1a SGB VI nicht erfüllt seien, da der Kläger nicht zum versicherungsfreien Personenkreis nach § 5 Abs. 4 SGB VI gehöre. Der Bezug einer Versorgung wegen Dienstunfähigkeit führe vor Erreichen der Altersgrenze nicht zur Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Sobald der Bezieher einer Versorgung wegen Dienstunfähigkeit seine Altersgrenze erreiche, bestehe von diesem Zeitpunkt an Versicherungsfreiheit.
Gegen diesen Bescheid legte der Klägerbevollmächtigte am 16.10.2019 Widerspruch ein. Die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 210 Abs. 1 a SGB VI seien erfüllt. Die Beklagte gehe fälschlicherweise davon aus, dass der Kläger nicht zum versicherungsrechtlichen Personenkreis nach § 5 Abs. 1 SGB VI gehöre. Die Versicherungsfreiheit ergebe sich nicht aus § 5 Abs. 4 SGB VI wie von der Beklagten angenommen, sondern aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Danach gehören Beamte auf Lebenszeit, wie hier der Kläger, zum versicherungsfreien Personenkreis. Selbst wenn § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zur Anwendung komme, gehöre auch danach der Kläger zum versicherungsfreien Personenkreis, da er nach Erreichen der Altersgrenze eine Versorgung beziehen werde.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 13.03.2020 zurück. Sie führte zusätzlich zur Begründung der Ablehnung der Beitragserstattung aus, dass eine Versicherungsfreiheit auch nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI begründet werde. Durch die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit befinde sich der Kläger nicht mehr in einem aktiven Beamtenverhältnis. Daher gehöre er nicht mehr dem versicherungsfreien Personenkreis nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an, der voraussetze, dass eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt werde und damit dem Grunde nach Versicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bestehe. Im Übrigen lehnte die Beklagte eine Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI aus den im Ausgangsbescheid bereits genannten Gründen ab.
Hiergegen hat der Kläger durch...