Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Einkommens- und Vermögenseinsatz. lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft. Rechtslage vor dem 1.1.2011. Übertragung der für die eheähnliche Gemeinschaft entwickelten Grundsätze. Saldierung der Kontostände von Tagesgeld- und Girokonto. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 8 SO 6/18 R
Leitsatz (amtlich)
1. Einkommen und Vermögen einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft sind nach § 43 Abs 1 SGB XII auch für Zeiträume vor dem 1.1.2011 zu berücksichtigen.
2. Die für die eheähnliche Gemeinschaft entwickelten Grundsätze sind ohne Abweichungen auf die lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft übertragbar.
Orientierungssatz
Grundsätzlich sind bei der Ermittlung des nach § 90 Abs 1 SGB 12 einzusetzenden Vermögens alle Vermögensgegenstände einzeln zu betrachten und nicht in einer Gesamtrechnung zu saldieren. Weist allerdings ein reines Tagesgeldkonto hohe Positivbestände aus, die für sich betrachtet jeweils ein Vermögen über dem Schonbetrag darstellen würden, und sind von diesem Konto keine Bargeldabhebungen oder Überweisungen, sondern nur Umbuchungen auf das Korrespondenzgirokonto möglich, ist eine Gesamtschau der Kontostände der jeweiligen Konten vorzunehmen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Dezember 2012 teilweise aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum Februar 2017 Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII in Höhe von 67,71 Euro zu zahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Ansprüche des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung im Alter, insbesondere über das Vorliegen einer lebenspartnerschaftsähnlichen Lebensgemeinschaft des Klägers mit dem Zeugen C..
Der 1938 geborene, ledige Kläger stellte am 05.11.2009 einen Antrag auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Er bezieht eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) (Stand 07/2009: 226,29 Euro). Er wohnt gemeinsam mit dem Zeugen in einer Wohnung, der Mietvertrag wurde gemeinsam abgeschlossen. An Versicherungen bestanden für den Kläger eine Unfall- und eine Trauerfallversicherung, für die der Zeuge jeweils als Bezugsberechtigter im Todesfall angegeben war. Weiterhin besteht eine Pflegerentenversicherung sowie zusätzlich zu der freiwilligen Krankenversicherung bei der DAK drei weitere Zusatzkrankenversichrungen.
Mit Bescheid vom 05.03.2010 lehnte die Beklagte den Sozialhilfeantrag mit der Begründung ab, zwischen dem Kläger und dem Zeugen bestehe eine lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft. Bei der gemeinsamen Vorsprache im Amt seien keine Äußerungen gemacht worden, die gegen eine Lebensgemeinschaft sprächen. Es sei davon auszugehen, dass nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Partner kein Anspruch auf Grundsicherung gegeben sei. Ermittlungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Zeugen waren nicht angestellt worden.
Der Kläger erhob Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid und führte u.a. aus, die Unfallversicherung bestehe nicht mehr. Vor Erlass eines Ablehnungsbescheides hätte ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden müssen. Außerdem hätte ein ablehnender Bescheid erst bei konkreter Feststellung eines entsprechend hohen Einkommens des Zeugen ergehen dürfen.
Im Widerspruchsverfahren ermittelte die Beklagte im EDV-System der Bundesagentur für Arbeit, dass der Zeuge von 1970 bis 1993 selbstständig als Manager tätig war. Von 1993 bis 2008 war er als Manager Kommunikation IR und Marketing bei P. angestellt. Vom 01.12.2008 bis 28.02.2010 bezog der Zeuge Arbeitslosengeld (Alg I). Hierbei wurden ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 173,63 Euro und ein täglicher Zahlbetrag von 53,33 Euro berücksichtigt. Am 01.03.2010 erreichte er die Altersgrenze für den Bezug einer Regelaltersrente (geboren 18.02.1945).
Auf der Basis eines Alg I-Einkommens in Höhe von täglich 53,33 Euro stellte die Beklagte am 27.06.2011 eine Berechnung an, nach der das gemeinsame laufende Einkommen des Klägers und des Zeugen den gemeinsamen laufenden Bedarf um 112,04 Euro überstieg. Dabei wurden die Krankenversicherungsbeiträge zwar beim Kläger, aber nicht bei dem Zeugen als Bedarf berücksichtigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2011, dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 11.10.2011, wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 05.03.2010 zurück. Auf die Gründe des Bescheides wird verwiesen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 11.11.2011 beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben. Es liege weder eine Wirtschaftsgemeinschaft noch eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vor, sondern lediglich eine reine Wohngemeinschaft.
Während des Klageverfahrens hat der Kläger beim SG einen Antrag auf einstweiligen ...