Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Begriff des Produktionsbetriebs und zur Ablehnung der Feststellung höherer Entgelte unter Berücksichtigung von sogenannten Jahresendprämien aufgrund des Zusatzversorgungssystems der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG)
Leitsatz (amtlich)
1. Eine fiktive Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz erfolgt nicht, wenn die betrieblichen Voraussetzungen zum Stichtag 30.06.1990 nicht erfüllt waren.
2. Bei dem Volkseigenen Betrieb Bergmann Borsig Stammbetrieb Kombinat Kraftwerksanlagen handelte es sich nicht um einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens nach § 1 Abs. 1 der 2. Durchführungsbestimmung (DB) oder um einen als Konstruktionsbüro oder als Vereinigung Volkseigener Betriebe nach § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb. Hauptzweck war nicht die Produktionsdurchführung, sondern die Planung und Konzeption von Kraftwerks- und Energieerzeugungsanlagen im Sinne eines General- bzw. Hauptauftragnehmers; überdies würde es an dem Erfordernis einer massenhaften Produktion fehlen.
3. Die Angabe eines Mindestbetrages bzw. eines durchschnittlichen Mindestbetrages der Jahresendprämie reicht nicht für einen Nachweis oder eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 6 AAÜG aus. Für die prozessuale Schätzungsbefugnis gemäß § 287 ZPO ist neben der vorrangigen und bereichsspezifischen Spezialnorm des § 6 AAÜG kein Raum.
4. Der Zusatzversorgungsträger ist nach § 48 Abs. 3 SGB X befugt, die Rechtswidrigkeit des Ursprungsbescheids isoliert vor Eintritt einer Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen durch Verwaltungsakt festzustellen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 5. August 2021 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Feststellung höherer Entgelte unter Berücksichtigung von sog. Jahresendprämien aufgrund des Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Die Beklagte hat unter Ablehnung des Antrags stattdessen die Rechtswidrigkeit des zur Überprüfung gestellten Feststellungsbescheids festgestellt, weil der Kläger nicht unter den Anwendungsbereich des AAÜG falle.
Der 1937 geborene Kläger besuchte die Ingenieurschule für Schwermaschinenbau und Elektrotechnik L, die er im Juli 1959 abschloss. Er studierte sodann an der Technischen Universität D (Fachstudienrichtung Strömungstechnik). Mit Urkunde vom 26.06.1970 wurde ihm der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" verliehen. Er war in der DDR zunächst ab 01.09.1959 beim Volkseigenen Betrieb (VEB) Energiebau R, ab 01.01.1961 beim VEB Kraftwerksbau R und ab 01.01.1968 beim VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau R als Ingenieur tätig. Das VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau wurde zum 01.01.1985 umstrukturiert; ab diesem Zeitpunkt war der Kläger beim VEB B Stammbetrieb des Kombinats Kraftwerksanlagenbau bis 30.06.1990 tätig. Ab Juli 1990 war der Kläger bei der Energie- und Umwelttechnik GmbH, R, tätig. Seit 01.01.2000 bezieht der Kläger Altersrente.
Im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung sind für die Zeit vom 01.09.1959 bis 30.06.1990 die sozialversicherungspflichtigen Entgelte sowie ab 01.04.1978 Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung ausgewiesen.
Mit Feststellungsbescheid vom 19.10.1999 wurden zugunsten des Klägers die Beschäftigungszeiten und Entgelte für den Zeitraum vom 01.09.1959 bis 30.06.1990 als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz festgestellt.
Mit Schreiben vom 28.02.2019 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Er begehre eine Rücknahme des bisherigen Rentenbescheides und Neuberechnung der Rentenansprüche unter Berücksichtigung der gezahlten DDR-Jahresendprämien unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.03.2018 (Az.: B 5 RS 8/17 R). In den bisherigen Berechnungen der Rentenansprüche des Klägers seien diese nicht berücksichtigt worden. Er legte eine eidesstattliche Versicherung vom 13.03.2019 vor, wonach er von seinem Betrieb in der ehemaligen DDR jährliche Jahresendprämien erhalten habe, die im Durchschnitt mindestens 50 % seines monatlichen Nettoentgelts betragen hätten. Außerdem wurden schriftliche Zeugenaussagen von Herrn G, Herrn R sowie Herrn K, ehemaligen Kollegen des Klägers, vorgelegt, wonach seit Mitte der 60er Jahre eine Jahresendprämie gezahlt worden sei, die durchschnittlich 50 % eines Nettomonatsgehalts betragen habe.
Nach Anhörung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2020 den Überprüfungsantrag vom 28.02.2019 ab. Es verbleibe bei den mit Bescheid vom 19.10.1999 rechtswidrig festgestellten Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG. Die Beklagte traf nach § 8...