Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Anfechtung eines Prozessvergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Anfechtung gerichtlicher Vergleich.

 

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 5 KR 132/07 durch den gerichtlichen Vergleich vom 23.06.2009 beendet ist.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anfechtung des vor dem Senat am 23.06.2009 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleiches.

1.

Streitig war in den Ausgangsverfahren zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin Krankengeld über den 08.01.2006 zusteht (Bescheide der Beklagten vom 04.01.2006 und 20.03.2006, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2006). Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Augsburg - SG - mit Urteil vom 01.03.2007 abgewiesen. In dem dagegen zum Bayerischen Landessozialgericht - LSG - eingelegten Berufungsverfahren hat der Senat der Klägerin antragsgemäß Rechtsanwalt R. H., M., im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet; ihm hat die Klägerin unter dem 19.08.2008 eine unbeschränkte Prozessvollmacht erteilt. Der Senat hat nach Beiziehung der einschlägigen Befund- und Behandlungsberichte ein Sachverständigengutachten des Dr. E. auf internistischem und ein Sachverständigengutachten der Dr. P. auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet eingeholt.

Auf der Basis dieser umfangreichen Beweisaufnahme haben die Beteiligten nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.06.2009 einen Vergleich abgeschlossen, wonach im Wesentlichen der Klägerin für einen bestimmten Zeitraum Krankengeld gewährt und der Rechtsstreit übereinstimmend in vollem Umfange für erledigt erklärt wurde. Der Vergleich wurde vorgelesen und von beiden Beteiligten genehmigt, wobei die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten war.

2.

Mit Schreiben vom 23.07.2009 hat die Klägerin den Vergleich angefochten. Er sei abgeschlossen worden, ohne dass sie Kenntnis vom Verhandlungstermin gehabt habe, denn ihr Bevollmächtigter habe sie insoweit nicht unterrichtet. Der Vergleich beinhalte zudem nur Leistungen, zu denen die Beklagte ohnehin verpflichtet gewesen wäre.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 5 KR 132/07 durch den gerichtlichen Vergleich vom 23.06.2009 nicht beendet wurde, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 01.03.2007 sowie die Bescheide der Beklagten vom 04.01.2006 und 20.03.2006 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2006 aufzuheben und ihr Krankengeld über den 08.01.2006 hinaus bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

festzustellen, dass das Berufungsverfahren durch den Vergleich vom 23.06.2009 beendet ist, hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 13.10.2009 gemacht. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht L 5 KR 132/07 ist durch den Vergleich vom 23.06.2009 beendet worden, Anfechtungsgründe sind nicht ersichtlich.

1.

Wie sich aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2009, die ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden ist (§ 122 SGG, §§ 159, 160 ZPO), zweifelsfrei ergibt, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dort die Sach- und Rechtslage mit der Beklagten und dem Senat eingehend erörtert. Danach wurde der Vergleich abgeschlossen, der u.a. in Ziffer IV. eine übereinstimmende Erledigterklärung des Rechtsstreits in vollem Umfange enthält. Der Vergleich ist den Beteiligten vorgelesen und von ihnen genehmigt worden (§ 122 SGG i.V.m. § 165 Abs. 1 ZPO). Die Klägerin war dabei durch ihren im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt vertreten, dem sie unter dem 19.08.2008 eine unbeschränkte Prozessvollmacht ausgestellt hatte, welche ausdrücklich die Befugnis zur Beilegung des Rechtsstreits durch Vergleich umfasst hatte. Der Bevollmächtigte der Klägerin war ordnungsgemäß geladen, ihm war die Terminsladung gem. § 73 Abs 6 S 5 SGG zugestellt worden. In der Folge kommen nach § 73 Abs 6 S 6 SGG, § 85 ZPO dessen Erklärungen Wirkung für und gegen die Klägerin zu.

Eine eigene Ladung der Klägerin zum Termin oder eine Terminsmitteilung war weder erforderlich noch aus sachlichen Gründen veranlasst.

2.

Der Vergleich hatte eine Widerrufsmöglichkeit nicht vorgesehen. Prozessrechtliche Gründe für eine Unwirksamkeit des Vergleichs oder Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen der § 179 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 578 ff. ZPO sind nicht ersichtlich.

3.

Eine Unwirksamkeit des Vergleiches ergibt sich auch nicht wegen dessen Doppelnatur als Prozessvergleich und als materielles Rechtsgeschäft. Denn die Beteiligten haben wirksam durch übereinstimmende Wi...

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