Entscheidungsstichwort (Thema)
Bayerisches Landesblindengeld: Anspruch auf Blindengeld wegen hochgradiger Sehbehinderung
Leitsatz (amtlich)
1. Von einem Antrag auf “Blindengeld„ nach dem BayBlindG ist auch ein Antrag auf Blindengeld für hochgradig sehbehinderte Menschen mit umfasst.
2. Die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 3 Ziff. 2 BayBlindG sind nicht bereits dadurch erfüllt, dass zugunsten des sehbehinderten Menschen im Verfahren nach dem SGB IX ein Einzel-GdB von 100 wegen schwerer Störungen seines Sehvermögens festgestellt worden ist.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Regensburg vom 10. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Blindengeldanspruch der Klägerin nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG).
Die 1958 geborene Klägerin, für die ein Grad der Behinderung von 100 für Sehminderung beidseits, Gesichtsfeldeinengung und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" festgestellt worden sind, stellte am 02.05.2014 beim Beklagten Antrag auf Blindengeld. Dieser holte im Verwaltungsverfahren u.a. ein augenfachärztliches Gutachten von Prof. Dr. K. vom 08.08.2014 ein. Der Sachverständige führte aus, dass die Klägerin bei ihm angegeben habe, ca. sechs Monate nach einem Unfall am Münchener Hauptbahnhof, bei dem sie zwischen S-Bahn und Bahnsteig eingeklemmt gewesen sei, plötzlich eine deutliche Visusminderung beidseits bemerkt habe. Es hätten sich im anschließenden stationären Aufenthalt keine die Sehverschlechterung erklärenden Befunde ergeben.
Als Visuswerte hat der Sachverständige rechts, links und beidäugig (gemessen mit Werten der objektiven Refraktion und Landoltringe) Fingerzählen festgehalten. Das Gesichtsfeld wurde mit dem Projektionshalbkugelperimeter nach Goldmann mit der Testmarke III/4 geprüft: Es habe sich links eine konzentrische Einengung auf ca. 5 Grad unterhalb des Zentrums bei sehr unsicheren Angaben und rechts eine konzentrische Gesichtsfeldeinengung auf beim ersten Versuch knapp 10 Grad bei sehr unsicheren Angaben, bei dem daher erfolgten erneuten Versuch mit einer konzentrischen Einengung auf ca. 5 Grad gezeigt. Prof. Dr. K. hat Astigmatismus, Cataracta incipiens, glaukomatöse Papillenexkavation bei bekanntem Offenwinkelglaukom, kein Hinweis auf weitere Erkrankungen der Netzhaut (rechts) und rechts zusätzlich Myopie diagnostiziert.
Der Sachverständige hat festgestellt, dass bei der Klägerin eine Sehminderung aufgrund eines ausgeprägten Sehnervenschadens bei bekanntem primärem Offenwinkelglaukom vorliegen könne. Der Optokinetische Nystagmus (OKN) habe sich aber sowohl mit der Nystagmustrommel als auch mit dem Kotowskitest (bis Visusstufe 0,1 bzw. ca. 0,3) an beiden Augen sehr gut und reproduzierbar auslösen lassen, so dass an beiden Augen von einer Sehschärfe von mindestens 0,1 oder besser ausgegangen werden müsse. Die Gesichtsfeldeinschränkungen im Goldmann-Gesichtsfeld seien bei unzureichender Mitarbeit mit sehr ungenauen Angaben nicht verwertbar. Die fehlenden Angaben in der ergänzenden Bjerrum-Gesichtsfeld-Untersuchung würden, so Prof. Dr. K., nicht zu den Ergebnissen der anderen Untersuchungen sowie zum Verhalten der Klägerin im Raum passen und würden ebenfalls auf mangelnde Mitarbeit hinweisen. Insgesamt seien daher die Kriterien für Blindheit im Sinne des BayBlindG nicht zweifelsfrei erfüllt.
Auf die entsprechende Gutachtensfrage nach Anhaltspunkten für Simulation und Aggravation stellte der Sachverständige u.a. fest, dass die Klägerin die achtfach bzw. zehnfach vergrößerte Schrift der Tafel zur Bestimmung des Vergrößerungsbedarfs relativ flüssig auch ohne Korrektur habe ablesen können. Bei der Visusbestimmung sei jedoch nicht einmal die Zahl der gezeigten deutlich größeren Landoltringe benannt worden. Dies stehe auch nicht im Einklang mit den Befunden der Nystagmustrommel und des Kotowskitests. Es hätten auch etliche Raumwechsel stattgefunden, bei denen die Klägerin schnellen Schrittes neben der untersuchenden Person ohne Benutzung des Langstocks gegangen sei; sie sei auch Hindernissen (wie z.B. einem Wäschewagen) ohne Ankündigung ausgewichen und problemlos in der Lage gewesen, Türklinken zu betätigen sowie den Lift mit gezieltem Drücken des Knopfes zu holen.
Mit Bescheid vom 09.09.2014 lehnte der Beklagte daraufhin den Blindengeldantrag der Klägerin ab und verwies zum einen auf die vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere auf die Feststellungen von Prof. Dr. K., und zum anderen auf den Grundsatz der objektiven Beweislast.
Hiergegen erhob die Klägerin am 02.10.2014 Widerspruch. Sie trug vor, im Hinblick auf das o.g. Gutachten ihr Sehvermögen noch einmal bei den behandelnden Augenärzten Dr. R. und Dr. A. überprüft zu haben. Ihre Angaben seien für glaubwürdig und nachgewiesen gehalten worden. Die Klägerin bat darum, noch eine zweite gutachterliche Meinung einzu...