Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Entzug der Zulassung. Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Maßgebend für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die vertragsärztliche Tätigkeit (noch) ausgeübt wird, sind die gegenüber der KV abgerechneten Behandlungsfälle.
2. Der Wille zur kontinuierlichen Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung fehlt, wenn über Jahre nur in einzelnen Quartalen wenige Behandlungsfälle abgerechnet werden und vom Vertragsarzt nicht dargelegt wird, wie zukünftig eine kontinuierliche Versorgung stattfinden soll.
3. Ein Ruhen der Zulassung kommt nicht in Betracht, wenn nach dem Vortrag des Vertragsarztes nicht absehbar ist, wann er wieder in ausreichendem Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen wird.
Nachgehend
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.01.2019, Az: S 38 KA 150/18, wird insoweit aufgehoben, als dem Hilfsantrag stattgegeben wurde, und die Klage gegen den Beschluss des Beklagten vom 12.04.2018 wird auch insoweit abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2).
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Entziehung der dem Kläger erteilten Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Der Kläger (geboren 1948) wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Oberbayern (nachfolgend: ZA) vom 19.06.1996 als Facharzt für Psychotherapeutische Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung zunächst am Sitz A-Straße in A-Stadt zugelassen. Nach zwischenzeitlicher Verlegung des Vertragsarztsitzes nach F. (Beschluss des ZA vom 13.12.2017) befindet sich der Vertragssitzsitz wieder im A-Straße in A-Stadt (Beschluss des ZA vom 07.02.2018).
Der Kläger hatte für die Quartale 2/2012, 3/2012, 2/2013, 3/2014, 1/2015, 2/2015, 3/2015, 2/2016, 3/2016, 4/2016 und 2/2017 keine Abrechnungen bei der Beigeladenen zu 1) eingereicht und gab hierzu auf Nachfragen der Beigeladenen zu 1) folgende Gründe an:
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2/2012 |
Fehlende Überweisungsscheine, Erkrankung (23.7.-1.8. AU), |
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Praxisabgabe/MVZ geplant, Lehrtätigkeit für die Bayerische |
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Landesärztekammer |
3/2012 |
Sicherstellungsassistentin beantragt, Praxisabgabe/MVZ geplant, Erkrankung, Fehlende Überweisungsscheine, Lehrtätigkeit für die Bayerische Landesärztekammer |
2/2013 |
wegen Überlastung/Prävention (Suchtpatienten/Burnout) erfolgt die Abrechnung II/2013 mit der Abrechnung III/2013 zusammen. (Übergabeseminar KVB 14.9.13/Weiterbildung für BLÄK - Seminare + Praxis) |
3/2014 |
Technische Probleme (Kartenleser/Med7-Anbindung) Datentransfer/Datenauslesung |
1/2015 |
Abrechnung erst mit II/2015 wegen technischer Probleme |
2/2015 |
Technische Probleme, Abrechnung II. Quartal mit III. Quartal |
3/2015 |
Abrechnung mit dem nächsten Quartal |
2/2016 |
Technische Probleme (und nach Rücksprache mit Herrn F./KVB wg. Familie) |
3/2016 und 4/2016 |
Krankheit - nur wenige Patienten - technisches Problem mit Kartenleser-Anbindung |
2/2017 |
Update Med7 - Version 8.11 B fehlgeschlagen. Abrechnung II/2017 mit III/2017 |
Die Beigeladene zu 1) hatte den Kläger mit den Schreiben vom 07.03.2016 und 01.12.2016 auf die fehlenden Abrechnungen für die Quartale 4/2015 und 03/2016 hingewiesen und um Mitteilung gebeten, ob und inwieweit die vertragsärztliche Tätigkeit vom Kläger ausgeübt werde. Der Kläger wurde auch darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eine der Hauptleistungspflichten des Vertragsarztes sei. Der Kläger teilte zum Quartal 4/2015 mit E-Mail vom 09.03.2016 mit, dass das Computersystem leider mehrfach mangelhaft gewesen sei. Seine beiden Töchter seien approbierte Ärztinnen in Facharztweiterbildungen. Er wolle die Weiterführung der Praxis durch die Töchter und die spätere Übergabe ermöglichen. Er übe seit Jahren Lehrtätigkeiten und Supervisionen für sein Fachgebiet neben den Patientenbehandlungen aus und befinde sich daher in einer besonderen Lage. Zum Quartal 3/2016 hatte sich der Kläger stichwortartig mit dem Verweis auf "Krankheit" und "technisches Problem mit Kartenleser-Anbindung" gemeldet.
Mit Schreiben vom 08.08.2017 wies die Geschäftsstelle des ZA den Kläger darauf hin, dass nach Überprüfung der Abrechnung in der Vertragsarztpraxis keine bzw. nur in sehr geringem Maße Leistungen erbracht würden. Als zugelassener Vertragsarzt sei der Kläger u.a. verpflichtet, die Vertragsarztpraxis zu unterhalten, Sprechstunden einzuhalten und Leistungen persönlich zu erbringen. Ggf. sei die Zulassung zu entziehen, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit nicht in nennenswertem Umfang ausgeübt werde. Der ZA werde voraussichtlich in der Sitzung am 13.09.2017 die Zulassungsvoraussetzungen überprüfen. Der Kläger wurde gebeten, vorab eine Stellungnahme einzureichen.
Mit E-Mail vom 10.08.2017 teilte der Kläger der Beigeladenen zu 1) mit, dass er vom 22.08.2017 bis 19.09.2017 eine stationäre Behandlung geplant habe und bat, vom Termin am 13.09.2017 abzusehen. Mit weiterer E-Mail vom...