Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Aufhebung einer Anstellungsgenehmigung wegen fehlender abgeschlossener Weiterbildung mit Wirkung für die Zukunft
Leitsatz (amtlich)
1. Rechtsgrundlage der Aufhebung einer Anstellungsgenehmigung aus Gründen, die beim Vertragsarzt zur Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V führen, ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
2. Ist der angestellte Arzt mangels abgeschlossener Weiterbildung nicht berechtigt, fachärztliche Leistungen zu Lasten der GKV zu erbringen, wird der mit der Anstellungsgenehmigung verbundene Versorgungsauftrag nicht erfüllt. Dies berechtigt die Zulassungsgremien zur Aufhebung der Anstellungsgenehmigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgericht München vom 19.12.2018, S 38 KA 962/16, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1).
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Widerruf der dem Kläger erteilten Genehmigung zur Anstellung von Frau A. als ganztags beschäftigte Ärztin mit dem Anrechnungsfaktor 1,0.
Der Zulassungsausschuss Ärzte Schwaben (nachfolgend: ZA) erteilte dem Kläger mit Beschluss vom 16.11.1993 die Genehmigung zur Anstellung seiner Ehefrau A., Beigeladene zu 8), als ganztags beschäftigte Ärztin in seiner Vertragsarztpraxis R-Straße 20, A-Stadt ab 01.11.1993. Die Beigeladene zu 8) verfügt mangels Weiterbildung über keine Facharztanerkennung.
Die Beigeladene zu 1) hatte den Kläger mit Schreiben vom 11.02.2009 darauf hingewiesen, dass in den EBM eine Vielzahl neuer Abrechnungsvoraussetzungen aufgenommen worden seien und unter anderem eine strikte Gliederung in hausärztliche und fachärztliche Leistungen erfolgt sei. Als Facharzt könne der Kläger nur noch Leistungen aus seinem fachärztlichen Arztgruppenkapitel des EBM abrechnen. Die Beigeladene zu 8) könne als Ärztin ohne Gebietsbezeichnung Leistungen aus diesem fachärztlichen Arztgruppenkapitel nicht abrechnen. Überdies würden der Kläger und die Beigeladene zu 8) seit dem 01.07.2008 eigene lebenslange Arztnummern führen, die bei den in der Abrechnung erfassten Gebührenordnungspositionen hinzugefügt werden müssen.
Dies habe zur Folge, dass die Beigeladene zu 8) Leistungen des Fachgebietes des Klägers nicht erbringen und abrechnen dürfe und von ihr erbrachte und mit ihrer lebenslangen Arztnummer gekennzeichnete Leistungen bei der Abrechnung ohne Vergütung herausfallen würden. Gleiches gelte auch für qualifikationsgebundene Leistungen, die eine besondere Genehmigung erforderten.
Mit weiterem Schreiben vom 08.04.2009 wies die Beklagte den Kläger nochmals darauf hin, dass ab dem 01.01.2010 keine fachärztlichen Leistungen durch die Beigeladene zu 8) abrechenbar seien.
In der Folgezeit gab es einen ausführlichen Schriftwechsel zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1), unter anderem auch mit dem Vorstand der Beigeladenen zu 1), in dem der Kläger seine Verärgerung über die aus seiner Sicht falsche Rechtsanwendung der Beigeladenen zu 1) deutlich machte. Er vertrat die Auffassung, dass der Status quo für die Beigeladene zu 8) auch ab dem 01.01.2010 erhalten bleibe.
In der Folgezeit teilte die Beigeladene zu 1) dem Kläger mit den Schreiben vom 26.11.2010 und 19.12.2011 mit, dass die weitere Abrechnung von Leistungen der Beigeladenen zu 8) bis 31.12.2013 geduldet werde, weil davon auszugehen sei, dass wegen des bestehenden Ärztemangels eine Nachbesetzung der Assistentenstelle nicht möglich gewesen sei.
Die Beigeladene zu 1) beantragte am 22.03.2016 beim ZA den Widerruf der Genehmigung zur Anstellung der Beigeladenen zu 8).
Der ZA lehnte den Antrag der Beigeladenen zu 1), die Genehmigung zur Anstellung der Beigeladenen zu 8) zu widerrufen, mit Beschluss vom 13.04.2016 ab.
Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) vom 01.06.2016 hat der Beklagte mit Beschluss vom 04.10.2016 den Beschluss des ZA vom 13.04.2016 aufgehoben und die dem Kläger erteilte Genehmigung zur Anstellung der Beigeladenen zu 8) als ganztags beschäftigte Ärztin (Bedarfsplanungsfaktor 1,0) gemäß § 95 Abs. 6 SGB V in Verbindung mit §§ 21, 27 Abs. 1, Abs. 3 Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit widerrufen. Die Entscheidung begründete der Beklagte damit, dass fachärztliche Leistungen von Dauerassistenten ohne Gebietsbezeichnung nicht mehr erbracht werden dürften. Es handle sich um eine rechtliche Unmöglichkeit, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Dies stelle zwar einen Eingriff in die Berufsausübung nach Art. 12 Grundgesetz - allerdings auf der untersten Stufe - dar, der aber aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls, konkret im Hinblick auf die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Versicherten, zulässig sei. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Für die angestellte Dauerassistentin bestünden alternative Möglichkeiten zur Ausübung ihres Berufs.