Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme einer Heizkostennachzahlung. Leistungen für Unterkunft und Heizung. Bedarf im Fälligkeitsmonat. Abschlagszahlungen. Direkte Überweisung an den Energieversorger. Mahnkosten. Amtshaftung. Sachdienliche Klageänderung. Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft und Heizung. Voraussetzung für die Annahme der Zugangsfiktion im Hinblick auf einen Verwaltungsakt. Klageänderung bei Geltendmachung von Mahngebühren als Kosten der Unterkunft während eines Rechtsstreits über die Übernahme einer Kostennachforderung des Energieversorgers
Leitsatz (amtlich)
Zur Übernahme einer Heizkostennachzahlung als (einmalige) Kosten der (Unterkunft und) Heizung
Orientierungssatz
1. Die Kostennachforderung eines Energieversorgers gegenüber einem Empfänger von Grundsicherungsleistungen stellt eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen der Leistungsbewilligung in Bezug auf die Kosten der Unterkunft dar, die eine Anpassung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides rechtfertigt.
2. Die Fiktion des Zugangs eines behördlichen Schreibens an den Empfänger aufgrund eines Vermerks über die Aufgabe zur Post kommt nur dann zur Anwendung, wenn dieser Vermerk von der Poststelle der Behörde angefertigt wurde. Dagegen genügt es nicht, wenn der Sachbearbeiter den Vermerk über die Aufgabe zur Post angefertigt hat.
3. Die erstmalige Geltendmachung von Kosten aus Mahngebühren wegen verspäteter Zahlung von Abschlägen aus Energielieferung als weitere Kosten der Unterkunft bei einem Grundsicherungsempfänger, die im Laufe eines Klageverfahren zur Übernahme einer Energiekostennachzahlung durch den Grundsicherungsempfänger erfolgt, stellt eine Klageänderung dar, die nur mit Einwilligung der Gegenseite zum Gegenstand des Verfahrens wird.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1 S. 1; BGB § 364 Abs. 1, § 839 Abs. 1; SGB X § 37 Abs. 2, § 48 Abs. 1; SGG § 99 Abs. 1
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.12.2013 abgeändert und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2011 verurteilt, dem Kläger für April 2011 einen weiteren Betrag für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 86,30 € zu bewilligen sowie den noch nicht erstatteten Betrag von 5,61 € an den Kläger auszuzahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Heizkosten für den Zeitraum von November 2010 bis April 2011.
Der Kläger bezieht seit Oktober 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). In der Zeit bis November 2013 bewohnte er eine Ein- Zimmer- Wohnung am A in A. Die Wohnung war mit Erdgas beheizt, die Warmwasserbereitung erfolgte dezentral.
Auf der Grundlage der Jahresrechnung seines Energieversorgers vom 21.03.2009 hatte der Kläger für die Belieferung mit Gas zu Heizzwecken Vorauszahlungen in Höhe von monatlich 49.- € erbringen. Diese waren von April 2009 bis Januar 2010 jeweils bis zum 15. des Monats fällig. Im Hinblick auf diese Verpflichtung bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 30.10.2009 Alg II für den Zeitraum vom 01.11.2009 bis 30.04.2010 und berücksichtigte hierbei für die Kosten der Heizung einen monatlichen Betrag in Höhe von 40,83 €. Bei einer Verteilung auf zwölf Monate ergebe sich dieser Anspruch ausgehend von der Jahresrechnung vom 21.03.2009, wonach 10 Abschläge in Höhe von 49.- € zu zahlen seien (49.- € x 12 Monate / 10 Monate). Mit der nachfolgenden Jahresabrechnung vom 06.03.2010 erhöhte der Energieversorger die monatlichen Abschläge auf 52.- €, die für die Zeiträume von April 2010 bis Januar 2011 zu zahlen seien. Für die Monate Februar und März 2010 war keine Forderung von Abschlägen ausgewiesen. Hierauf bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeiträume ab dem 01.05.2010 Alg II (Zeitraum 01.05.2010 bis 31.10.2010 - zuletzt Bescheid vom 17.09.2010; Zeitraum 01.11.2010 bis 30.04.2011 - Bescheid vom 26.10.2010) und berücksichtigte die zu zahlenden Abschläge als Heizkosten in Höhe 52.- € monatlich.
Mit der Jahresabrechnung vom 19.03.2011 stellte der Energieversorger dem Kläger für die Zeit vom 02.02.2010 bis 14.03.2011 für die Belieferung mit Erdgas einen Betrag von 751,70 € in Rechnung. Nach Abzug der in diesem Zeitraum geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 520.- € (= die vom Beklagten direkt an den Energieversorger gezahlten Abschläge für Juni 2010 bis März 2011 in Höhe von jeweils 52.- € monatlich) betrage die zum 15.04.2011 fällige Nachforderung 231,70 €. Zudem seien Kosten in Höhe von 5.- € wegen einer Mahnung vom 30.01.2011 zu entrichten. Der Abschlag betrage weiterhin 52.- € monatlich und sei erstmals zum 15.04.2011 fällig.
Hierauf änderte der Beklagte mit drei Bescheiden vom 25.05.2011 die Leistungsbewilligungen für die Zeiträume vom 01.02.2010 bis 30.04.2010, vom 01.05.2010...