Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtungsklage. Prüfung von Nichtigkeitsgründen. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. Absetzung von Zahlungen auf rückständigen Kindes- und Trennungsunterhalt. Absetzung von Rückstellungen für Rechtsanwaltskosten und die Anschaffung eines Kfz
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen einer Anfechtungsklage sind auch vorgetragene Nichtigkeitsgründe zu prüfen.
2. Vom Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit sind im Bereich des SGB 2 nur Zahlungen auf laufenden, titulierten Unterhalt abzusetzen, nicht jedoch Zahlungen auf Unterhaltsrückstände, auch wenn diese tituliert sind.
3. Vom Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit können im Bereich des SGB 2 Rückstände für eventuelle Rechtsanwaltskosten und zur Ansparung für ein Kfz nicht abgesetzt werden.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Juni 2014, S 11 AS 1113/12, wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.03.2013 höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der Kläger erhielt für die Zeit vom 12.04.2012 bis 10.10.2012 Arbeitslosengeld I von der Bundesagentur für Arbeit. Im Oktober 2012 floss beim Kläger zuletzt ein Betrag in Höhe von 254,47 Euro zu.
Am 27.09.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes I.
Im Rahmen seines Antrags gab der Kläger an, ein Gewerbe "An- und Verkauf von Flohmarktartikeln, Computern" sowie einen ebay-Handel zu betreiben, wovon nach Abzug der Kosten aber kein Erwerbseinkommen bliebe. Zudem sei er monatlich mit Unterhaltsrückstandszahlungen belastet und darüber hinaus mit Zahlungen für den laufenden, titulierten Kindesunterhalt für seine Tochter. Für seine Wohnung mit 44 qm bezahle er monatlich 135,80 Euro Kaltmiete, einen monatlichen Abschlag in Höhe von 87,00 für Nebenkosten und einen monatlichen Abschlag in Höhe von 42,00 (ab 01.01.2013: 40,00 Euro) für Heizkosten und Warmwasser. Die Warmwasserversorgung erfolge dezentral. Eine Betriebskostenrückerstattung i.H.v. 29,65 Euro erfolgte im Januar 2013.
Mit Bescheid vom 26.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2012 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.03.2013 Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen vorläufig. Die endgültige Höhe der Leistungen werde erst nach Vorlage von Nachweisen über die Zahlung von laufendem Unterhalt und Vorlage der Unterlagen bezüglich der selbständigen Tätigkeit festgesetzt. Zahlungen auf Unterhaltsrückstände könnten nicht vom Einkommen abgesetzt werden.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 19.11.2012, eigegangen bei Gericht am 23.11.2012, Klage zum Sozialgericht Augsburg.
Von seinem Einkommen müssten 100,00 Euro monatlich wegen seiner Zahlungen auf den UVG-Rückstand abgesetzt werden, dazu 50,00 Euro monatlich auf den rückständigen Trennungsunterhalt bezüglich seiner Frau. Zudem zahle er laufend Unterhalt in Höhe von 343,00 Euro an seine Tochter, der in dieser Höhe auch tituliert ist.
Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens erhob der Kläger auch eine Nichtigkeitsfeststellungsklage. Alle für den Zeitraum vom 01.10.2012 bis 31.03.2013 ergangene Verwaltungsakte seien nichtig, weil der zuständige Sachbearbeiters beim Beklagten Zahlungen auf Unterhaltsrückstände nicht als vom Einkommen abzusetzende Unterhaltszahlungen anerkannt habe und damit verursacht habe, dass der Kläger seinen Unterhaltspflichten nicht habe nachkommen können mit dem Strafbarkeitsrisiko nach § 170 StGB. Daraus ergebe sich auch eine Befangenheit des zuständigen Sachbearbeiters beim Beklagten, da dieser stets zu seinem Nachteil habe handeln wollen.
Nachdem der Kläger im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens eine Überschussrechnung für den streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegt hatte, erließ der Beklagte für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.03.2013 einen "Änderungsbescheid" mit Datum vom 06.09.2013, mit dem die Leistungen endgültig festgesetzt wurden; insoweit wird auf Blatt 584 der sozialgerichtlichen Akte S 11 AS 1113/12 Bezug genommen. Als Unterhaltszahlungen wurden dabei Zahlungen auf laufenden, titulierten Kindesunterhalt jeweils in der monatlich nachgewiesenen tatsächlich geleisteten Höhe berücksichtigt.
Mit Urteil vom 16.06.2014 sprach das Sozialgericht dem Kläger für den Monat Februar 2013 einen Betrag von 57,00 Euro zusätzlich zu und wies im Übrigen die Klage als unbegründet ab.
Die Nichtigkeitsfeststellungsklage sei unbegründet, da die in der Zeit vom 01.10.2012 bis 31.03.2013 ergangenen Verwaltungsakte nicht nichtig seien.
Soweit der Kläger im Gerichtsverfahren vorgetragen habe, dass die Bescheide ihn an der Erfüllung seiner Unterhaltspflicht geh...