Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtungsklage, Absetzungsbeträge, Nichtigkeitsgründe. Arbeitslosengeld II. Hilfebedürftigkeit. Unterhaltszahlungen. Befangenheit des Sachbearbeiters. Grundsicherung für Arbeitsuchende: Berücksichtigung von Einkommen bei der Ermittlung des Hilfebedarfs. fehlende Leistungsfähigkeit in Bezug auf eine gesetzliche Unterhaltspflicht als Nichtigkeitsgrund eines Grundsicherungsbescheides. Berücksichtigung von Nichtigkeitsgründe im Rahmen einer Anfechtungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen einer Anfechtungsklage sind auch vorgetragene Nichtigkeitsgründe zu prüfen.

2. Absetzungsbeträge zu Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit.

 

Orientierungssatz

1. Ein Bescheid über Grundsicherungsleistungen ist nicht schon deshalb nichtig, weil der Empfänger sich aufgrund der geringen Höhe der Leistung nicht in der Lage sieht, von ihm geschuldeten Unterhalt an Dritte zu zahlen. Denn insoweit führt allein die Leistungsbewilligung nicht zu einer Verwirklichung der Strafbarkeit einer Entziehung von der gesetzlichen Unterhaltspflicht.

2. Wurde kein Einkommen bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende angerechnet, können auch nicht weitere Ausgaben (hier: Unterhaltszahlungen) einkommensmindernd berücksichtigt werden.

 

Normenkette

SGB II § 7 Abs. 1, § 9; SGB X § 40 Abs. 1, 2 Nr. 4; StGB § 170

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Juni 2014, S 11 AS 577/13, wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Im Rahmen seines Antrags auf Leistungen nach dem SGB II gab der Kläger an, ein Gewerbe "An- und Verkauf von Flohmarktartikeln, Computern" sowie einen ebay-Handel zu betreiben, wovon nach Abzug der Kosten aber kein Erwerbseinkommen bliebe. Zudem sei er monatlich mit Unterhaltsrückstandszahlungen belastet und darüber hinaus mit Zahlungen für den laufenden, titulierten Kindesunterhalt für seine Tochter. Für seine Wohnung mit 44 qm bezahle er monatlich 135,80 Euro Kaltmiete, einen monatlichen Abschlag in Höhe von 87,00 Euro für Nebenkosten (Monate April bis Juni, von Juli bis September nur noch 62,00 Euro) und einen monatlichen Abschlag in Höhe von 40,00 Euro für Heizkosten und Warmwasser. Die Warmwasserversorgung erfolge dezentral.

Mit Bescheid vom 22.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2013 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen vorläufig. Die endgültige Höhe der Leistungen werde erst nach Vorlage von Nachweisen über die Zahlung von laufendem Unterhalt und Vorlage der Unterlagen bezüglich der selbständigen Tätigkeit festgesetzt. Zahlungen auf Unterhaltsrückstände könnten nicht vom Einkommen abgesetzt werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 10.06.2013 Klage zum Sozialgericht Augsburg.

Von seinem Einkommen müssten 100,00 Euro monatlich wegen seiner Zahlungen auf den UVG-Rückstand abgesetzt werden, dazu 50,00 Euro monatlich auf den rückständigen Trennungsunterhalt bezüglich seiner Frau. Zudem zahle er laufend Unterhalt in Höhe von 343,00 Euro an seine Tochter, der in dieser Höhe auch tituliert ist.

Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens erhob der Kläger auch eine Nichtigkeitsfeststellungsklage. Alle für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 ergangenen Verwaltungsakte seien nichtig, weil der zuständige Sachbearbeiter beim Beklagten Zahlungen auf Unterhaltsrückstände nicht als vom Einkommen abzusetzende Unterhaltszahlungen anerkannt habe und damit verursacht habe, dass der Kläger seinen Unterhaltspflichten nicht habe nachkommen können mit dem Strafbarkeitsrisiko nach § 170 StGB. Daraus ergebe sich auch eine Befangenheit des zuständigen Sachbearbeiters beim Beklagten, da dieser stets zu seinem Nachteil habe handeln wollen.

Nachdem der Kläger im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens eine Überschussrechnungen für den streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegt hatte, erließ der Beklagte für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 einen "Änderungsbescheid" mit Datum vom 22.11.2013, mit dem die Leistungen endgültig festgesetzt wurden; insoweit wird auf Blatt 149 der sozialgerichtlichen Akte S 11 AS 577/13 Bezug genommen. Als Unterhaltszahlungen wurden dabei Zahlungen auf laufenden, titulierten Kindesunterhalt jeweils in der monatlich nachgewiesenen tatsächlich geleisteten Höhe berücksichtigt.

Mit Urteil vom 16.06.2014 wies das Sozialgericht die Klage als unbegründet ab.

Die Nichtigkeitsfeststellungsklage sei unbegründet, da die für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.03.2013 ergangenen Verwaltungsakte nicht nichtig seien.

Soweit der Kläger im Gerichtsverfahren vorgetragen habe, dass die Bescheide ihn an der Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gehindert hätten und er sich des...

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