Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie als Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV
Leitsatz (amtlich)
I. Durch die Nr. 1317 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) werden die toxische Polyneuropathie und die toxische Enzephalopathie als Berufskrankheiten erfasst.
II. Die Krankheiten müssen im Sinne des Vollbeweises vorliegen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 18. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BK 1317) und einer Berufskrankheitenfolge.
Der Kläger ist 1958 geboren. Er war zunächst vom 01.09.1973 bis 09.09.1980 als Werkzeugmacher bei der L. GmbH tätig, ab 10.09.1980 bis Ende 2005 in der Wartung und Instandhaltung von Löt-Anlagen. Hierbei hatte der Kläger Umgang mit Lötmaterial, Flussmitteln bzw. Lösungsmitteln. Zum Januar 2016 wechselte der Kläger in die Abteilung Musterbau, wo er mit den genannten Materialen nicht mehr in Kontakt kam.
Am 11.06.2007 erstattete die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. bei der Beklagten eine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf das Vorliegen einer durch langjährige Lösungsmittelexposition verursachten toxischen Erkrankung des Klägers. Beim Kläger bestehe eine Augenmuskelparese mit deutlicher Gesichtsfeldeinengung, die innerhalb der letzten Monate deutlich zugenommen habe. Die Augenmuskellähmung sei erstmals im Sommer 2005 aufgetreten.
Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen über den Kläger bei und holte verschiedene Auskünfte, u.a. vom Arbeitgeber und dem Kläger selbst, zu dessen Arbeitsplatzbelastung ein. Danach hatte der Kläger ab 1980 als Lötmaschinenwart Kontakt zu lösemittelbasierenden Fluss- und Reinigungsmitteln (Isopropanol, Ethanol). Dabei soll der Kläger nach Angaben des Arbeitgebers im Zeitraum 1982 bis 1987 Reinigungsarbeiten mit Tri-haltigen Lösemitteln durchgeführt haben. Der Arbeitgeber konnte keine genaueren Angaben über den verwandten Stoff machen. Im Zeitraum 1980 bis 1987 sei der Kläger ca. 8 Stunden pro Schicht und von 1987 bis Ende 2005 ca. 4 Stunden pro Schicht bei seiner Tätigkeit der Einwirkung von Fluss- und Lösemitteln ausgesetzt gewesen. Der Kläger gab bei seiner Befragung an, im Zeitraum 1980 bis 1988 Reinigungstätigkeiten durchgeführt zu haben. Hierbei sei wahrscheinlich Trichlorethen zum Einsatz gekommen. Der Kontakt zum Reinigungsmittel habe über Haut und Luft bestanden. Genaue Angaben zum verwandten Reinigungsmittel konnte auch der Kläger nicht machen, ebenso wenig ein ehemaliger Vorgesetzter des Klägers und ein Mitarbeiter. Die Reinigungstätigkeiten haben nach Angaben des Klägers ca. 1 bis 2 Stunden pro Schicht gedauert.
Daneben führte der Präventionsdienst der Beklagten noch Ermittlungen zu einer Bleiexposition des Klägers zur Prüfung einer BK nach Nr. 1101 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BK 1101) durch.
Die Beklagte holte nunmehr ein wissenschaftlich begründetes arbeitsmedizinisches Fachgutachten des Professor Dr. N. (N) vom 27.05.2010 ein. Er stellte die Diagnosen: Okulomotorische Hirnnervenparesen bei cerebraler Mikroangiopathie, koronare Herzerkrankung, Adipositas. Die beim Kläger bestehenden Hirnnervenparesen seien nicht toxikologischer Natur. Ein Zusammenhang mit der beruflichen Exposition des Klägers gegenüber organischen Lösungsmitteln sei nicht gegeben. Der Kläger sei bis 1988 neurotoxisch wirkenden Lösungsmitteln ausgesetzt gewesen. Diese Exposition liege aber zu lange zurück, um die ab 2005 beim Kläger aufgetretene Symptomatik zu erklären. Vielmehr würden sich die beim Kläger bestehenden neurologischen Symptome durch die vorliegende zerebrale Mikroangiopathie erklären. Es lägen weder eine BK 1101 noch eine BK nach der Nr. 1302 der Berufskrankheiten-Verordnung (BK 1302) oder eine BK 1317 vor.
Mit Bescheid vom 16.07.2010 lehnte es die Beklagte ab, beim Kläger eine BK 1317 oder eine BK 1302 anzuerkennen. Die beim Kläger vorliegende Augenmuskelparese mit Gesichtsfeldeinengung stelle keine Berufskrankheitenfolge dar.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein.
Die Beklagte holte eine ergänzende arbeitsmedizinische Stellungnahme des N vom 22.11.2010 ein und wies mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2011 den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Das SG hat die Akten der Beklagten, die ärztlichen Unterlagen der DRV Bund, die Schwerbehindertenakten, Röntgenbilder und MRT-Aufnahmen, die Krankenblätter des Bezirksklinikums B-Stadt und die Unterlagen des den Kläger behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. D. zum Verfahren beigezogen und einen Befundbericht der Augenärzte Dres. M. eingeholt.
Das SG hat...