Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Feststellungsinteresse nach Änderung der Rechtslage bei Nichtbeachtung der neuen Rechtslage durch die Behörde

2. Zum Feststellungsinteresse bei Eingliederungsverwaltungsakten

 

Orientierungssatz

1. Ein begründeter Fortsetzungsfeststellungsantrag setzt das Bestehen eines schutzwürdigen Feststellungsinteresses voraus. In Betracht kommt dabei ein Rehabilitationsinteresse u. a. bei Verletzung von Grundrechten, bei Wiederholungsgefahr sowie bei Präjudiziabilität. Dabei sind vom Rechtsuchenden die Umstände darzulegen, welche sein Feststellungsinteresse begründen.

2. Mit Wirkung vom 1. 8. 2016 sind die Voraussetzungen und der zeitliche Umfang einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines -verwaltungsaktes geändert worden. Das Gesetz sieht seitdem die Durchführung einer Potenzialanalyse vor. Danach sind die konkreten Schritte in die Eingliederungsvereinbarung aufzunehmen. Das Gesetz schreibt jetzt die regelmäßige, spätestens nach Ablauf von sechs Monaten durchzuführende Überprüfung und Fortschreibung einer Eingliederungsvereinbarung vor.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10.10.2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu 3/4 zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.12.2016.

Der Kläger bezieht vom Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Beteiligten schlossen zuletzt eine Eingliederungsvereinbarung mit Gültigkeitsdauer bis zum 04.07.2015 ab.

Am 24.05.2016 versuchte der Beklagte erneut eine Einigung mit dem Kläger über eine Eingliederungsvereinbarung, die der Kläger letztlich nicht unterschrieb und an den Beklagte zurücksandte. Daraufhin erließ der Beklagte einen Eingliederungsverwaltungsakt mit Datum vom 03.06.2016 für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.12.2016. Im Wesentlichen wurde darin geregelt, dass der Kläger monatlich mindestens vier Bewerbungen vorzuweisen, sich zeitnah auf Vermittlungsvorschläge des Beklagten zu bewerben und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen spätestens am dritten Tag vorzulegen habe. Im Gegenzug verpflichtete sich der Beklagte, Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten und dem Kläger pro Bewerbung pauschal drei Euro zu erstatten.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2016 zurück. Der Kläger werde nicht in seinen Rechten, insbesondere - wie vom Kläger geltend gemacht - in seinen Grundrechten verletzt. Er sei als Leistungsempfänger verpflichtet, Arbeit anzunehmen. Die dem Kläger auferlegten Pflichten seien allesamt rechtmäßig.

Hiergegen erhob der Kläger am 01.09.2016 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Die Eingliederungsvereinbarung sei ihm vorgefertigt als "unverhandelbares Eingliederungsdiktat" vorgelegt worden.

Mit Urteil vom 10.10.2016 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid als unbegründet ab. Die Anfechtungsklage sei zwar zulässig, aber unbegründet, da der Eingliederungsverwaltungsakt rechtmäßig sei.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Durch den Eingliederungsverwaltungsakt werde er in seinen Grundrechten eingeschränkt. Auch sei eine pauschale Vergütung von drei Euro pro Bewerbung zu niedrig.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 01.03.2017 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt sich durch Zeitablauf erledigt hat und ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse dargelegt werden müsse.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10.10.2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt des Beklagten vom 03.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.08.2016 rechtswidrig war.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe nicht. Es seien keine Sanktionen aufgrund des Eingliederungsverwaltungsaktes verhängt worden.

Mit Schreiben vom 24.03.2017 teilte der Bg mit, dass derzeit an einem Profiling des Klägers entsprechend der neuen Rechtslage gearbeitet werde. Bei Erlass des Widerspruchsbescheids am 01.08.2016 sei der zuständigen Sachbearbeiterin die neue Rechtlage noch nicht bekannt gewesen. Inzwischen sei die neue Rechtslage durch neue, grundlegend überarbeitete fachliche Hinweise der Bundesagentur für Arbeit umgesetzt worden. Für die Zukunft werde dementsprechend die Beachtung der neuen Rechtslage zugesichert.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist insbesondere statthaft. Nach § 143 SGG findet gegen Urteile der Sozialgerichte die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit...

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