Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenablehnungsbescheid. fehlende Mitwirkung. stark eingeschränkte Wegefähigkeit. Gutachtenerstellung im Wege des Hausbesuchs. Ermessen. Anforderungen an Hinweis nach § 66 Abs 3 SGB 1. keine Entscheidung über materiellrechtliche Voraussetzungen

 

Leitsatz (amtlich)

Ergeben sich im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung deutliche Hinweise auf eine stark eingeschränkte Wegefähigkeit des Antragstellers (Merkzeichen B, G, aG), ist ein Rentenablehnungsbescheid der aufgrund der Weigerung des Antragstellers, sich zu einem ärztlichen Sachverständigen zu begeben, auf eine fehlende Mitwirkung gestützt wird, ermessensfehlerhaft, wenn aus ihm keine Erwägungen hervorgehen, ob eine Untersuchung durch einen ärztlichen Sachverständigen im Rahmen eines Hausbesuchs in Betracht kommt.

 

Orientierungssatz

1. Der in § 66 Abs 3 SGB 1 vorgesehene vorherige Hinweis auf die Folgen fehlender Mitwirkung ist eine zwingende Voraussetzung der Versagung. Der Hinweis darf sich dabei nicht auf die Wiederholung des Gesetzeswortlauts oder Belehrungen allgemeiner Art beschränken; er muss vielmehr anhand der dem Leistungsträger durch § 66 Abs 1 und 2 SGB 1 eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten unmissverständlich und konkret die Entscheidung bezeichnen, die im Einzelfall beabsichtigt ist, wenn der Betroffene dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommt (vgl BSG vom 20.3.1980 - 7 RAr 21/79 = SozR 4100 § 132 Nr 1).

2. Ein Rentenablehnungsbescheid, der auf fehlende Mitwirkung gestützt wird, enthält keine Entscheidung über die materiellrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und wirkt nur bis zur Nachholung der Mitwirkung. Dies ist im Verfügungssatz des Bescheids auszusprechen (vgl LSG Stuttgart vom 16.5.1990 - L 1 J 1789/89).

 

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 17. September 2009 werden der Bescheid der Beklagten vom 5. April 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2006 aufgehoben.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage auf Gewährung von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz als unzulässig verworfen.

III. Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der im Jahr 1960 geborene Kläger hat nach seinen eigenen Angaben keine Berufsausbildung abgeschlossen. Von 1975 bis 1979 war er als Knopfarbeiter, 1980 als Lagerbuchhalter und im Anschluss daran bis 1987 als Ofenbauhelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten der selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter war er von 1990 bis 1992 als Lagerist und zuletzt von 1992 bis 1993 als Wareneingangsleiter versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit ab Februar 1993 nahm der Kläger von Juni 1998 bis März 2000 an einer Umschulungsmaßnahme des Arbeitsamtes L. zum Sozialversicherungsfachangestellten teil, die er jedoch nicht erfolgreich beendete. Von Februar 2000 bis Februar 2004 war der Kläger in Haft.

Der Kläger begehrte mit Antrag vom 11. August 2004 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Er machte geltend, seit 1993 u.a. an einer primär chronischen Polyarthritis erkrankt zu sein. Ab dem Jahr 2000 habe sich eine Verschlechterung ergeben.

Der ärztliche Dienst der Beklagten erachtete ein rheumatologisches Gutachten für erforderlich. Mit Schreiben vom 19. Januar 2005 beauftragte die Beklagte den Orthopäden Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens.

In dem Schreiben ist der Wortlaut der §§ 62 und 66 Abs. 1 SGB I als Fußnote abgedruckt. Daraufhin sprach der Kläger am 25. Januar 2005 in der Auskunfts- und Beratungsstelle A-Stadt vor und bat um Einholung eines rheumatologisch-internistischen Gutachtens. Wie sich bereits aus einem im Jahr 1996 durchgeführten Rentenverfahren ergebe, seien aus orthopädischer Sicht niemals Beeinträchtigungen festgestellt worden. Bei ihm bestehe eine rheumatisch-internistische Erkrankung.

Die Beklagte gewährte dem Kläger sodann eine Maßnahme zur stationären medizinischen Rehabilitation. Der Rentenantrag wurde daher zunächst bis zum Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme zurückgestellt. Nachdem der Kläger die ihm bewilligten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an den vorgesehenen Terminen nicht angetreten und die Beklagte den Reha-Bewilligungsbescheid mit Bescheid vom 29. August 2005 zurückgenommen hatte, nahm die Beklagte das Rentenverfahren wieder auf und zog einen Befundbericht der Benediktinerabtei St. B. vom 3. Juni 2004 sowie den Entlassungsbericht der Reha-Klinik W. vom 18. März 1998 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 10. Februar 1998 bis 3. März 1998 bei. Der ärztliche Dienst der Beklagten hielt nach Auswertung dieser Unterlagen ein rheumatologisches Gutachten nach wie vor für erforderlich.

Die Beklagte beauftragte daraufhin den Internisten Dr. H. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser lud den Kläger für den 26. Okt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?