Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsminderung. fehlende Mitwirkung. Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers. Antragsablehnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle einer mangelnden Mitwirkung des Klägers (hier: Teilnahme an einer erforderlichen medizinischen Untersuchung) darf ein Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung nur bis zur Nachholung der Mitwirkung versagt, nicht jedoch abgelehnt werden.

2. Zu dem Umfang der Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers, auf die Folgen fehlender Mitwirkung des Leistungsberechtigten hinzuweisen.

 

Tenor

Unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Augsburg vom 5. Februar 2008 werden der Bescheid der Beklagten vom 19. April 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2005 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 1957 geborene Kläger hat keine Berufsausbildung abgeschlossen. Er war - mit Unterbrechungen - seit 1. September 1987 bis 17. April 2000 versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 18. April 2000 bis 24. September 2001 bezog er Krankengeld. Seitdem wurden für den Kläger keine Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt.

Der Kläger begehrte mit Antrag vom 19. Januar 2005 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Er machte geltend, er sei seit 15. Mai 2002 wegen eines Bandscheibenvorfalls und Rückenschmerzen erwerbsgemindert. Als behandelnden Arzt gab er Dr. T. an. Auf die Befundanforderung der Beklagten hin teilte Dr. T. mit, der Kläger sei am 25. Mai 2002 zuletzt bei ihm in Behandlung gewesen. Aktuelle Befunde lägen ihm nicht vor.

Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 18. März 2005 den Kläger auf, einen Untersuchungstermin am 24. März 2005 beim sozialmedizinischen Dienst der Beklagten wahrzunehmen. In dem Schreiben ist darauf verwiesen, dass dem Kläger die Rente ganz oder teilweise versagt bzw. entzogen werden könne, wenn er seiner Mitwirkungspflicht (§ 60 ff. SGB I) nicht nachkomme, zum Beispiel indem er den Untersuchungstermin nicht wahrnehme.

Der Kläger bat daraufhin mit zwei Schreiben vom 19. März 2005 um Übersendung eines "Gutscheins für das gewünschte medizinische Gutachten" bzw. eines "Gutscheins für die Kosten des ärztlichen Attestes von Dr. T.". Ohne Gutschein könne der Termin nicht eingehalten werden.

Mit Schreiben vom 30. März 2005 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, es sei erforderlich, dass er ärztlich untersucht werde. Die Untersuchung werde vom sozialärztlichen Dienst in A-Stadt durchgeführt und sei für ihn kostenfrei. Die entstandenen Fahrtkosten würden ersetzt. Um telefonische Kontaktaufnahme mit dem sozialärztlichen Dienst wurde gebeten.

Mit Schreiben vom 6. April 2005 wurde der Kläger erneut zur medizinischen Untersuchung für den 19. April 2005, 7:30 Uhr eingeladen. Auch in diesem Schreiben ist der Hinweis enthalten, dass die Rente ganz oder teilweise versagt bzw. entzogen werden könne, wenn der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkomme, zum Beispiel indem er den Untersuchungstermin nicht wahrnehme.

Mit Schreiben vom 8. April 2005 bat der Kläger daraufhin nochmals um die Übersendung eines Gutscheins für die ärztliche Begutachtung. Am 19. April 2005, 7:30 Uhr, erklärte er telefonisch gegenüber der Beklagten, er könne nicht zur Untersuchung kommen, da er starke Medikamente einnehme.

Mit angefochtenem Bescheid vom 19. April 2005 lehnte die Beklagte den Antrag vom 21. Januar 2005 auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 66 SGB I wegen fehlender Mitwirkung ab. Dem Kläger sei mit Schreiben vom 30. März 2005 letztmalig mitgeteilt worden, dass sein Antrag nicht abschließend bearbeitet werden könne, wenn er nicht zum sozialärztlichen Dienst nach A-Stadt zur Untersuchung komme. Er habe jedoch zwei Untersuchungstermine nicht eingehalten. Der Antrag sei daher abzulehnen.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe sich dauernd bemüht, einen Krankenschein bzw. einen Gutschein für eine ärztliche Untersuchung zu bekommen, diese jedoch nicht erhalten. Für jede Untersuchung würde er Rechnungen von den Ärzten erhalten. Außerdem rufe die Untersuchung durch einen LVA-Arzt eine Interessenkollision hervor.

Mit Schreiben vom 2. Mai 2005 fragte die Beklagte an, ob der Kläger bereit sei, der Vorladung der sozialärztlichen Dienstes zu einer kostenlosen Untersuchung Folge zu leisten. Der Kläger bat daraufhin erneut um Übersendung eines Krankenscheins und verwies auf das Bestehen einer Interessenkollision.

Der Widerspruch wurde sodann mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2005 zurückgewiesen. Es sei zur Feststellung, ob ein Leistungsfall bereits zu dem Zeitpunkt eingetreten sei, zu dem die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt seien, unbedingt eine Untersuchung des Klägers erforderlich. Nachdem der Kläger den Aufforderungen zur Untersuchung ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen sei, sei die Bek...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?