Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch des Jobcenters gegen den Rentenversicherungsträger bei nachträglicher Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
Leitsatz (amtlich)
1. Bis zur Klärung der Erwerbsfähigkeit eines Leistungsbeziehers nach dem SGB II war nach der bis 31.7.2008 geltenden Rechtslage dessen Erwerbsfähigkeit auch außerhalb eines Einigungsstellenverfahrens als fingiert anzunehmen.
2. Das gilt erst recht, wenn bereits eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers und medizinische Gutachten vorliegen, aus denen sich das Bestehen einer Erwerbsfähigkeit ergibt.
3. Die danach materiell rechtmäßig erbrachte Leistung wird nicht dadurch rückwirkend rechtswidrig, dass nachträglich das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer festgestellt wird.
4. Der Erstattungsanspruch des Jobcenters gegen den Rentenversicherungsträger folgt in diesem Fall aus § 104 SGB X.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. August 2016 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2018 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Auszahlung einer Rentennachzahlung.
Der Kläger und Berufungsbeklagte ist Rechtsnachfolger des 1960 geborenen und am 28.02.2006 verstorbenen Versicherten S. A. (nachfolgend: Versicherter), der bis zu seinem Tod ein auf Zahlung von Erwerbsminderungsrente gerichtetes Verfahren gegen die Beklagte und Berufungsklägerin betrieben hatte. Dieses Verfahren ging zurück auf den Rentenantrag vom 17.04.2003. Mit Bescheid vom 16.06.2003 hatte die Bahnversicherungsanstalt B. als Rechtsvorgängerin der Beklagten den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt, weil der Kläger nach ärztlicher Feststellung zwar nicht mehr in seinem erlernten Beruf als Kellner, wohl aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein könne. Auch ein Gutachten des Arbeitsamtes B. vom 10.01.2003 war zuvor zu diesem Ergebnis gekommen. Das im anschließenden Klageverfahren für das Sozialgericht Berlin (Az.: S 20 RJ 1108/04) erstellte neurologisch-psychiatrische Gutachten Dr. P. vom 13.01.2005 bestätigte diese Einschätzung. Nach dem Tod des Versicherten wurde das Verfahren aufgrund des Erbscheins vom 12.10.2006, das den Kläger als Alleinerben aufweist, von diesem weiterbetrieben. Mit Urteil vom 06.11.2006 wurde durch das Sozialgericht Berlin die auf Zahlung einer Erwerbsminderungsrente gerichtete Klage abgewiesen. Erst das für das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg (Az.: L 6 R 426/09) nach Aktenlage erstellte Gutachten Dr. W. vom 24.08.2011 kam zum Ergebnis, dass der Kläger jedenfalls seit 2005 bei progressiver Verschlechterung des psychischen Befundes und einem schwerwiegenden Gefäßleiden nach diversen Hirninfarkten nicht mehr in der Lage gewesen sei, einer Erwerbstätigkeit von 3 Stunden und mehr nachzugehen. Daraufhin schlossen die Beteiligten entsprechend dem Vergleichsangebot der Beklagten vom 07.02.2012 einen gerichtlichen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte dem Versicherten ausgehend von einem Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Dauer am 01.02.2005 vom 01.03.2005 bis 28.02.2006 (Tod) eine Rente wegen Erwerbsminderung nach den gesetzlichen Bestimmungen gewährt.
Mit Ausführungsbescheid vom 23.10.2012, adressiert an den Bevollmächtigten des Klägers, bewilligte die Beklagte zugunsten des Versicherten für die Zeit vom 01.03.2005 bis 28.02.2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und verfügte die vorläufige Einbehaltung der Nachzahlung in Höhe von 3.798,47 €.
Der Beigeladene, bei dem der Versicherte bis zu seinem Tod als Alleinstehender im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) gestanden hatte, meldete mit Schriftsatz vom 13.03.2013 für die Zeit von 01.03.2005 bis 31.12.2005 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 3.165,31 € an. In diesem Schreiben ist für jeden Monat dargelegt, in welcher Höhe der Versicherte Leistungen erhalten hatte. Am 24.03.2013 wurden aus der Nachzahlung 811,45 € an den Rechtsnachfolger des Klägers ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 25.03.2013, das als Betreff den Hinweis trägt: "Nachzahlung aufgrund der mit Bescheid vom 23.10.2012 gewährten Rente" wurde dem Kläger mitgeteilt, dass von der einbehaltenen Rentennachzahlung in Höhe von 3.798,47 € nach Abzug des vom Beigeladenen im Wege des Erstattungsanspruchs geltend gemachten Betrags von 3.165,31 € ein Restbetrag von 633,16 € verbleibe, der zuzüglich der angefallen Zinsen von 178,29 € auf das angegebene Konto des Klägers überwiesen werde. Die Mitteilung enthält eine detaillierte Zinsberechnung, allerdings keine nähere Begründung.
Mit Schreiben vom 06.12.2013 machte der Bevollmächtigte des Klägers auf die Urteile des BSG vom 31.10.2012 (Az.: B 13 R 11/11 R und B 13 R 9...