Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenübernahme für eine Brustangleichung durch Lipofilling
Leitsatz (amtlich)
1. Es bestehen keine Hinweise auf die Notwendigkeit einer stationären Behandlung; Lipofilling wird aufgrund der verhältnismäßig geringfügigen Eingriffe in den Körper regelmäßig ambulant durchgeführt.
2. Für eine ambulante Behandlung liegt das erforderliche positive Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses nach wie vor nicht vor.
3. Es handelt sich vorliegend nicht um einen Fall der Nachkorrektur , da im Rahmen der Erstoperation eine DIEP-Lappen-Rekonstruktion vorgenommen worden war.
4. Ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Methode des Lipofillings ergibt sich ferner auch nicht aus § 137 c SGB V.
5. Auch ein Anspruch bei grundrechtsorientierter Leistungsauslegung im Sinne von § 2 Abs. 1 a SGB V oder ein Systemversagen scheiden aus.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. Juni 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin und Berufungsklägerin begehrt eine angleichende Brustoperation mittels Lipofilling (Eigenfetttransfer) als Sachleistung.
Bei der 1964 geborenen Klägerin besteht ein Zustand nach Mammaablatio links nach Mammakarzinom mit anschließender DIEP-Lappen-Rekonstruktion (April 2018); es liegt eine Größenasymmetrie der Brüste vor. Sie beantragte am 22.11.2018 unter Vorlage eines Attestes der Gemeinschaftspraxis H/F, Ästhetische und Plastische Chirurgie, vom 16.11.2018 bei der Beklagten und Berufungsbeklagten die Kostenübernahme für eine angleichende Brustoperation mittels Lipofilling in der Klinik. Danach bestehe nach einer DIEP-Lappen-Rekonstruktion eine gute Projektion der Brust; allerdings liege eine Asymmetrie zur gesunden Gegenseite vor. Die Klägerin wünsche zur Beseitigung der Asymmetrie eine weitere Füllung der rekonstruierten Brust. Dies sei aufgrund der Asymmetrie medizinisch indiziert. Als Therapieempfehlung wurde ein Lipofilling der rekonstruierten Seite unter stationären Bedingungen vorgeschlagen.
Nach einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK, jetzt Medizinischer Dienst) besteht keine Indikation für die beantragte Maßnahme. Die Beklagte lehnte dementsprechend mit Bescheid vom 21.12.2018 die Kostenübernahme ab.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein Gutachten des MDK vom 15.01.2019 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine medizinische Notwendigkeit zum Ausgleich der Brustasymmetrie nicht nachvollziehbar sei. Eine Entstellung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege nicht vor. Bei dem Lipofilling handele es sich um eine sog. neue Behandlungsmethode. Eine solche könne erst nach einer positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. Eine solche liege nicht vor. Eine medizinische Notwendigkeit zur stationären Durchführung bestehe nicht. Ein Ausnahmetatbestand zu dem Bewertungsverfahren des G-BA sei nicht ersichtlich. Insbesondere handele es sich nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung. Die aktuelle Datenlage sei nicht ausreichend, um den Nutzen der Methode Lipofilling im Rahmen der Brustrekonstruktion nach Mammakarzinom für die klinische Krankenversorgung nach evidenzbasierten Kriterien zu belegen. Zudem werde die Unbedenklichkeit des Lipofillings in Bezug auf die onkologische Sicherheit nach wie vor in der Literatur unterschiedlich bewertet.
Die Klägerin legte ein Attest der Frauenärztin S vom 25.02.2019 vor, aus dem hervorgeht, dass sie durch die Brustasymmetrie massiv psychisch belastet sei. Aufgrund dieser psychischen Belastung werde eine Angleichung der linken Brust mittels Lipofilling empfohlen.
Die Beklagte holte eine ergänzende Stellungnahme des MDK vom 18.04.2019 ein. Für die psychiatrischen Probleme stünden Methoden der Psychiatrie zur Behandlung zur Verfügung. Körperlich stünden allein kosmetische Aspekte im Vordergrund. Eine Entstellung im Sinne der Rechtsprechung des BSG liege nicht vor. Eine Leistungspflicht der Beklagten für die beantragte Brustangleichung mittels Lipofilling sei weiterhin zu verneinen.
Die Kläger legte ein weiteres Attest - der Allgemeinmedizinerin P vom 17.05.2019 - vor. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2019 zurück; sie verwies im Wesentlichen auf die Ausführungen des MDK.
Hiergegen hat die Klägerin durch die Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben und auf die Therapieempfehlungen der behandelnden Ärzte verwiesen. Es stehe auch noch die Rekonstruktion der Brustwarze aus, dies sei aber erst nach Abschluss des Brustaufbaus sinnvoll. Ferner hat sie eine Stellungnahme der ärztlichen Psychoonkologin S1 vom 07.11.2019 vorgelegt. Diese hat bestätigt, dass die Klägerin durch die verbliebene Brustasymmetrie massiv psychisch belastet sei. Der Klägerin sei die Kostenübernahme ein...