Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des Arbeitslosengeldes. Bemessungsentgelt. erzieltes Arbeitsentgelt. Zuflussprinzip. nachträgliche Vertragserfüllung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Arbeitsentgelte gelten iS des § 131 Abs 1 SGB 3 als erzielt, wenn sie dem Arbeitslosen im Bemessungszeitraum zugeflossen sind. Spätere Leistungen des Arbeitgebers sind nur zu berücksichtigen, wenn diese infolge nachträglicher Vertragserfüllung, insbesondere arbeitsgerichtlicher Entscheidung, gezahlt werden (vgl BSG vom 28.6.1995 - 7 RAr 102/94).

2. Ansonsten hat es bei dem Normzweck des § 131 Abs 1 SGB 3 zu verbleiben, wonach die existenzsichernde Natur des Arbeitslosengeldes eine beschleunigte Feststellung der Leistung und eine rasche Auszahlung erfordert, was zu einfachen Maßstäben bei der Leistungsabrechnung zwingt (vgl BSG aaO).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.06.2007 aufgehoben und die Klage gegen die Bescheide vom 21.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2007 abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin ab 01.01.2007 zustehenden Arbeitslosengeldes (Alg).

Die 1951 geborene Klägerin war in der Zeit vom 15.11.1976 bis 31.07.2006 bei der Firma Q. GmbH in A-Stadt - zuletzt als Merchandise Controllerin beschäftigt. In der Zeit vom 01.08.2005 bis 31.07.2006 erhielt sie ein monatliches Brutto-Arbeitsentgelt in Höhe von 4.725,00 € zuzüglich Einmalzahlungen im November 2005 in Höhe von 787,00 € und im Juli 2006 in Höhe von 867,42 € EUR. Das Arbeitsverhältnis wurde am 10.06.2006 zum 31.07.2006 durch Aufhebungsvertrag beendet. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt die Klägerin eine Abfindung i.H.v. 172.550,00 €.

Ab 01.08.2006 war die Klägerin befristet bis 31.07.2007 bei der Firma "D. GmbH" tätig. Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber am 05.12.2006 zum 31.12.2006 gekündigt. Nach der in der Beklagtenakte vorliegenden Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers erhielt die Klägerin für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.11.2006 ein beitragspflichtiges Brutto-Arbeitsentgelt von 2.800,00 €. Für den Monat Dezember 2006 war ein Entgelt noch nicht abgerechnet.

Die Klägerin meldete sich am 06.12.2006 mit Wirkung zum 01.01.2007 arbeitslos und beantragte Alg unter Berücksichtigung einer unbilligen Härte. Der Klägerin wurde mit Bescheid vom 21.12.2006 Alg ab 01.01.2007 gewährt, ebenfalls mit Bescheid vom 21.12.2006 lehnte die Beklagte aber die Anerkennung einer unbilligen Härte im Sinne des § 130 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SGB III ab.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2007 zurück. Der Bemessungsrahmen zur Feststellung des Alg umfasse ein Jahr; er werde auf zwei Jahre erweitert, wenn es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen. Eine solche unbillige Härte liege nicht vor, da das ermittelte Alg nicht außer Verhältnis zu der Beitragsleistung in dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen stehe. Dieser hierfür erforderliche Grenzbetrag von 4.514,25 € (4.103,86 € + 10 v.H.) werde von der Klägerin nicht überschritten.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 28.06.2007 stattgegeben. Das von der Beklagten zugrunde gelegte Bemessungsentgelt zur Berechnung des Alg-Anspruchs der Klägerin halte einer rechtlichen Überprüfung nicht statt. Nach § 131 Abs.1 Satz 1 SGB III sei Bemessungsentgelt das durchschnittliche auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe. Arbeitsentgelte, auf die ein Arbeitsloser beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hätte, würden als erzielt gelten, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen seien, § 131 Abs.1 Satz 2 SGB III. Das BSG verträte einen vermittelten Standpunkt einer "kombinierten Anspruchs- und Zuflusstheorie", wonach der Begriff "erzielt" dahingehend auszulegen sei, dass auch diejenigen Teile des Arbeitsentgelts zu berücksichtigen seien, die dem Arbeitslosen nach dem Ausscheiden infolge nachträglicher Vertragserfüllung für den Bemessungszeitraum zugeflossen seien. Demgemäß sei das von der Klägerin bei der "D. GmbH" erzielte Dezember-Arbeitsentgelt in Höhe von 2.783,91 € zu berücksichtigen. Die Klägerin habe damit im Jahr 2006 insgesamt 47.926,33 € an Arbeitsentgelt erzielt, pro Monat (geteilt durch 12) somit 3.993,86 €. Unter Berücksichtigung des Dezember-Entgelts 2006 habe die Klägerin vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 insgesamt 106.163,33 € an Arbeitsentgelt erzielt, pro Monat somit (geteilt durch 24) 4.423,47 €. Damit läge eine unbillige Härte im Sinne des § 130 Abs.3 Satz 1 Nr.2 vor, da die Differenz der Entgelte mehr als 10 v.H. betrage.

Hiergegen hat die Beklagte am 10.08...

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