Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. tägliches Bemessungsentgelt. Berechnungsmethode. Erweiterung des Bemessungsrahmens. unbillige Härte. Gehaltsunterschied. Indizfunktion des Bemessungsentgeltes. Arbeitszeitreduzierung wegen Arbeitsplatzsicherung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Berechnung des Bemessungsentgeltes iS von § 131 Abs 1 S 1 SGB 3 ist der Monat mit 30 Tagen anzusetzen.

2. Eine unbillige Härte iS von § 130 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 3 ist nur dann zu bejahen, wenn eine erhebliche Verschlechterung in der Entgeltsituation vorliegt, welche die Anknüpfung der Bemessung an die allgemeinen Regeln als im Einzelfall unzumutbar erscheinen lässt. Dabei ist darauf abzustellen, ob eine Vergleichsberechnung ein Missverhältnis zwischen dem im Bemessungsrahmen nach § 130 Abs 1 SGB 3 und im erweiterten Bemessungsrahmen erzielten Arbeitsentgelt ergibt, das nach einer Erweiterung verlangt, um die Indizfunktion des Bemessungsentgeltes zu gewährleisten.

3. Bei einem Gehaltsunterschied von 8% kann - auch im Hinblick auf § 130 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB 3 - nicht davon ausgegangen werden, die Indizfunktion des Bemessungsentgeltes sei nicht mehr gewährleistet.

4. Nach der Systematik des § 130 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 3 will die Billigkeitsprüfung allein einen Vergleich von Entgelten aus länger zurückliegenden Zeiträumen zwecks Ausweitung des Bemessungsrahmens ermöglichen, ohne dass es auf die Gründe des Minderverdienstes (hier: Arbeitszeitreduzierung wegen Arbeitsplatzsicherung) ankommt. Dieser Normzweck lässt die Berücksichtigung anderer Härtegesichtspunkte nicht zu.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Juli 2008 sowie die Bescheide der Beklagten vom 24. Oktober 2006 und 27. Dezember 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2007 und 7. März 2007 sowie der Bescheid vom 22. Februar 2008 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von täglich 65,25 € zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung höheren Arbeitslosengeldes I (Alg) auf der Grundlage eines höheren Bemessungsentgeltes.

Der ... 1962 geborene Kläger ist verheiratet. Sein jüngstes Kind ist am 22.02.1996 geboren. Auf seiner Lohnsteuerkarte 2006 ist die Steuerklasse III/2 eingetragen.

Der Kläger war ab 01.03.1990 mit einer Arbeitszeit von wöchentlich 37 Stunden bei der Firma Druckhaus B als Versandarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Durch Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 01.05.2005 wurde die regelmäßige Arbeitszeit ab dem 01.05.2005 auf wöchentlich 30 Stunden reduziert. Der Kläger erzielte im Abrechnungszeitraum vom 01.03.2005 bis 31.08.2005 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 12.604,72 € und vom 01.09.2005 bis 01.02.2006 in Höhe von 10.944,87 €. Für die Zeit vom 02.02.2006 bis 31.07.2006 war der Kläger aufgrund eines bis zum 01.08.2006 befristeten Arbeitsvertrages bei der Firma "m GmbH" mit einem beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 9.595,02 € mit einer Arbeitszeit von wöchentlich 30 Stunden versicherungspflichtig tätig. Anschließend stand der Kläger ab 01.08.2006 bis 22.09.2006 in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei der Firma R D GmbH mit einem beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt von insgesamt 3.799,63 € und einer Arbeitszeit von wöchentlich 37,5 Stunden.

Am 20.07.2006 meldete sich der Kläger zum 23.09.2006 bei der Agentur für Arbeit W (AA) arbeitslos und beantragte Alg. Die AA berechnete aufgrund der vorgelegten Arbeitsbescheinigungen der Firma B vom 07.06.2006, der m GmbH vom 25.07.2006 und der R D GmbH vom 10.10.2006 (Blätter 07, 11 und 13 der Verwaltungsakte), ausgehend von einer einjährigen Rahmenfrist (01.09.2005 bis 22.09.2006), das Bruttoarbeitsentgelt mit 24.339,52 € (bezahlt an 378 Tagen) und das Bemessungsentgelt mit täglich 64,39 €. Auf dieser Grundlage bewilligte die AA dem Kläger mit Bescheid vom 24.10.2006 ab 23.09.2006 Alg in Höhe von täglich 33,43 € mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen.

Gegen den Bescheid vom 24.10.2006 legte der Kläger am 17.11.2006 Widerspruch ein und bat um Erläuterung der Berechnungsgrundlagen des bewilligten Alg. Auf Anforderung legte er außerdem seine Lohnabrechnungen für den Zeitraum von August 2004 bis August 2005 in Kopie vor. Mit Schreiben vom 29.11.2006 informierte die AA den Kläger über die Berechnungsgrundlagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2007 wies die AA den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Berechnung des Alg sei von einem Bemessungsrahmen von einem Jahr auszugehen. Ein Ausnahmefall liege nicht vor.

Hiergegen erhob der Kläger am 14.02.2007 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage (S 8 AL 569/07). Mit Beschluss vom 03.04.2007 ordnete das SG das Ruhen des Verfahrens an.

Inzwischen ha...

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