Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht: Ermittlung des Vergleichseinkommens für den Berufsschadensausgleich
Leitsatz (amtlich)
1. Eine (Krankenpflege-)Ausbildung an einer medizinischen Fachschule in der ehemaligen DDR, stellt, auch wenn dazu ein „Studienbuch“ geführt worden ist, die Schüler als „Studenten“ bezeichnet worden sind und die Ausbildung ein „Studium“ genannt worden ist, kein (Fach-)Hochschulstudium dar, das zu einer Tätigkeit mit Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe von mehr als 8 nach dem TVöD führen würde.
2. Die (im entschiedenen Fall rechtlich-rechnerisch nicht nachvollziehbaren) Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zu den Vergleichseinkommen für die Feststellung der Berufsschadens- und Schadensausgleiche nach dem BVG haben keine Bindungswirkung für die Gerichte.
Nachgehend
Tenor
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 04.11.2016 wird aufgehoben.
II. Der Bescheid vom 13.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2016 sowie der Bescheid 10.08.2016 und die Bescheide vom 06.06.2017, 24.10.2018 und 11.10.2019 werden insofern abgeändert, als für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs ein Vergleichseinkommen i.H.v.
- 2.408,- € für den Zeitraum von 07/2010 bis 06/2011,
- 2.432,- € für den Zeitraum von 07/2011 bis 06/2012,
- 2.485,- € für den Zeitraum von 07/2012 bis 06/2013,
- 2.491,- € für den Zeitraum von 07/2013 bis 06/2014,
- 2.533,- € für den Zeitraum von 07/2014 bis 06/2015,
- 2.586,- € für den Zeitraum von 07/2015 bis 06/2016,
- 2.696,- € für den Zeitraum von 07/2016 bis 06/2017,
- 2.747,- € für den Zeitraum von 07/2017 bis 06/2018,
- 2.835,- € für den Zeitraum von 07/2018 bis 06/2019,
- 2.925,- € für den Zeitraum von 07/2019 bis 06/2020,
- 3.026,- € für den Zeitraum von 07/2020 bis 06/2021
zugrunde zu legen ist.
III. Im Übrigen werden die Berufung zurück- und die Klage abgewiesen.
IV. Der Beklagte hat der Klägerin ein Fünftel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Berufsschadensausgleichs (BSA) unter dem Gesichtspunkt, welches Vergleichseinkommen der Berechnung zugrunde zu legen ist bzw. wie dieses zu ermitteln ist.
Die Klägerin ist im Jahr 1968 geboren und in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Sie besuchte 10 Jahre die Schule (zuletzt polytechnische Oberschule) und anschließend von Herbst 1984 bis August 1987 die medizinische Fachschule B-Stadt (Abschluss: Fachschulabschluss in der Fachrichtung Krankenpflege). Einen von ihr angestrebten Ausbildungsplatz in einem kreativen Beruf hatte die Klägerin - so die Angaben ihrer Mutter in der Anlage zu dem am 20.04.2010 von der Klägerin beantworteten Fragenkatalog - nicht bekommen. Anschließend arbeitete sie bis zur Ausreise aus der DDR am 08.11.1989 in einem Pflegeheim.
In den Jahren 1984 bis 1989, insbesondere in der Zeit vom 27.04.1988 (Ausreiseantrag) bis zum 08.11.1989 (Ausreise) wurde sie wegen nicht staatskonformer Einstellung Opfer von Zersetzungs- und anderen Maßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit, wobei nach den Angaben der Klägerin im Fragebogen vom 04.02.2009 Anlass für diese Maßnahmen zum einen ihre Kritik an den Zuständen im Krankenhaus und im Pflegeheim gewesen sei, in denen sie seit 1985 gearbeitet habe, und zum anderen ihr Ausreiseantrag im Jahr 1988.
Nach ihrer Übersiedlung in den Westen arbeitete sie von 1990 bis 1991 im Klinikum B-Stadt als Krankenschwester. Eingestellt wurde sie dort nach Vergütungsgruppe IV Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT), was - so die Auskunft des Klinikums vom 04.08.2015 - im Jahr 2015 der Entgeltgruppe 7a Stufe 6 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) entspreche. Ein wesentliches Einkommen durch berufliche Tätigkeit bezog sie seither nicht mehr.
Mit Schreiben vom 11.02.2010, eingegangen am 15.02.2010, beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Rehabilitierungsbescheinigung beim Beklagten Beschädigtenversorgung nach § 3 Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG). Ihr damaliger Bevollmächtigter trug mit Schreiben vom 06.05.2010 ergänzend vor, dass auch alle Folgeleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), insbesondere BSA gemäß § 30 Abs. 3 BVG sowie Ausgleichsrente nach § 32 BVG, geprüft werden sollten. Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 13.08.2013 ab dem 01.02.2010 als Folge einer Schädigung im Sinne des § 3 VwRehaG "seelische Störung, Angst und Depression gemischt, soziale Phobie" mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 an und gewährte der Klägerin neben Heilbehandlung für die Schädigungsfolgen eine Grundrente. Infolge eines durch ihren Bevollmächtigten gestellten Überprüfungsantrags vom 24.01.2014 wurde der Klägerin nach zunächst erfolgter Ablehnung und anschließendem Teilabhilfebescheid vom 01.06.2015 (u.a. GdS 80) mit Geric...