Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. Gesundheitserstschaden. Einstiche durch Dornen. Unfallfolge. Ursächlicher Zusammenhang. Polyneuropathie. Knochenmarksentzündung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Gesundheitsschaden, der Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist, kann auch in stecknadelgroßen Einstichen von Dornen bestehen.

 

Normenkette

SGB VIII § 8 Abs. 1; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 3, § 99 Abs. 1

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18. Mai 2011 aufgehoben und unter Abänderung des Bescheides der Beklagten am 24. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2008 festgestellt, dass das Ereignis vom 26. Oktober 2006 ein Arbeitsunfall war.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte trägt ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Ereignis vom 26.10.2006 als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) anzuerkennen ist und welche Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anzuerkennen sind.

Der 1950 geborene Kläger leidet seit 1991 an einem behandlungsbedürftigen Diabetes mellitus. Bereits im Alter von 36 Jahren erlitt er einen Herzinfarkt.

Im Jahr 2003 entwickelte sich aufgrund einer "Bagatellverletzung an der linken Fußsohle" (so Entlassungsbrief des Klinikums D.-P. vom 15.09.2003) eine beginnende Phlegmone am linken Fuß mit Lymphadenitis, die einen stationären Aufenthalt im Klinikum D. vom 11.09. bis zum 15.09.2003 erforderte und durch eine anschließende monatelange Behandlung wieder eingedämmt werden konnte. Der Kläger behauptet, Anlass sei keine Bagatellverletzung, sondern ein Splitter im Fuß gewesen.

Am 26.10.2006 ereignete sich das streitgegenständliche Unfallereignis: Der Kläger besichtigte im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des Landkreises D., bei der er als Bauvorarbeiter tätig war, zusammen mit dem ersten Bürgermeister der Gemeinde I., A. Z., einen zu sanierenden Wanderweg. Dabei stolperte er und geriet mit den linken Fuß in dorniges Gestrüpp. Nach seiner eigenen Aussage und nach Aussage des Bürgermeisters Z. zog er sich dabei kleine Einstiche zu. Eine Unfallanzeige erfolgte zunächst nicht, der Kläger hielt die Verletzung auch nicht für behandlungsbedürftig.

Der Kläger übte die ihm im Rahmen einer AB-Maßnahme vom 26.10.2006 bis 30.11.2006 zugeteilte Tätigkeit weiterhin aus. Er beanspruchte lediglich vom 13.11.2006 bis 17.11.2006 Erholungsurlaub.

Etwa Mitte November litt der Kläger nach seinen eigenen Angaben unter erhöhter Temperatur und Abgeschlagenheit; um die Einstichstellen im Bereich des linken Knöchels entwickelte sich ein "pelziger Belag" (so Klageschrift) bzw. eine "verschorfte Stelle" (so die eigene Aussage des Klägers nach dem Gutachten des Dr. L. vom 09.11.2007).

Am 28.11.2006 zeigte sich plötzlich eine 1-Euro-Stück-große, bräunliche, dann schwarz werdende Hautveränderung am linken Außenknöchel. Am 01.12.2006 stellte sich der Kläger deswegen im Klinikum D. vor und wurde dort stationär aufgenommen. Als Aufnahmebefund zeigte sich laut Entlassungsbrief vom 18.12.2006 eine trockene Gangrän am linken Außenknöchel mit einer Ausdehnung von ca. 5 x 4 cm. Die Umgebung der Gangrän war gerötet in einem Durchmesser von ca. 10 cm. Anamnestisch hatte der Kläger angegeben, sich wahrscheinlich vor ca. 3 Wochen den Fuß links angeschlagen und sich dabei eine Schürfung über dem Außenknöchel zugezogen zu haben, seit dem Vortag leide er an einer zunehmenden Rötung und Überwärmung. Als Diagnosen wurden u. a. eine große Außenknöchelnekrose links mit Phlegmone, Diabetes mellitus und diabetischer Polyneuropathie festgestellt. Am 08.12.2006 erfolgte eine Wundrevision, mit großflächiger Abtragung und Vakuumverband-Anlage. Dabei wurden perioperative Abstriche entnommen, deren Analyse eine Kontamination der Wunde mit Staphylococcus aureus ergab, der antibiotisch behandelt wurde. Am 18.12.2006 wurde der Kläger auf eigenen Wunsch und gegen ärztlichen Rat entlassen.

Im weiteren Verlauf wurde der Kläger erneut am 08.02.2007 im Klinikum D. stationär aufgenommen. Bei fortgeschrittener Infektion des Sprunggelenks mit Osteomyelitis des Talus erfolgten eine Resektion desselben sowie eine Arthrodese mittels Fixateur externe. Nach gebesserten Wundverhältnissen wurde der Kläger am 29.03.2007 in die ambulante Betreuung entlassen.

Erst am 04.04.2007 erstattete der Landkreis D. Unfallanzeige.

Im Zeitraum vom 19.04.2007 bis zum 22.04.2007 fand eine weitere stationäre Behandlung im Klinikum D. statt, in deren Rahmen eine operative Korrektur einer deutlichen Fehlstellung mit Medialisierung der distalen Tibia durchgeführt wurde.

Mit Schreiben vom 18.06.2007 forderte die Beklagten vom Chefarzt der Unfallchirurgie des Klinikums D., Prof. Dr. S., die Behandlungsunterlagen an und fragte, warum bislang keine Berichterstattung an di...

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