Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Nichtigkeit bzw. Beseitigbarkeit eines Prozessvergleichs.
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 1 R 706/08 durch Prozessvergleich vom 8. Oktober 2008 erledigt ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Das vorliegende Verfahren betrifft primär die Frage, ob ein Berufungsverfahren in einer Angelegenheit nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch wirksam durch Prozessvergleich beendet worden ist.
Die 70-jährige Klägerin bezieht eine Regelaltersrente. Sie hat bei der Beklagten versucht, die Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten und damit eine höhere Rente zu erreichen. Im Zuge dessen ist es zu einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg gekommen (Aktenzeichen S 9 R 43/06). Gegen das die Klage abweisende Urteil vom 07.07.2008 hat die Klägerin Berufung eingelegt (Aktenzeichen L 1 R 706/08). Der seinerzeit zuständige Berichterstatter hat am 08.10.2008 im Beisein der Klägerin und deren Prozessbevollmächtigter vom VdK einen Erörterungstermin durchgeführt (Dauer 35 Minuten). In der Sitzungsniederschrift ist der Abschluss eines Prozessvergleichs protokolliert, wonach sich die Beklagte bereit erklärt hat, bei Stellung eines entsprechenden Antrags über den VdK ein Überprüfungsverfahren durchzuführen; die Protokollierung des Vergleichs ist mit der Bemerkung "vorgelesen und genehmigt" versehen.
Am 07.11.2008 ist beim Bayerischen Landessozialgericht ein Schreiben der Klägerin eingegangen, mit der diese ihre Unzufriedenheit mit dem Erörterungstermin zum Ausdruck gebracht hat. Das Schreiben ist als Dienstaufsichtsbeschwerde angesehen und mit Präsidentenschreiben vom 13.11.2008 beantwortet worden. Auf ein weiteres Schreiben der Klägerin vom 25.03.2010 ist das Verfahren unter Vergabe eines neuen Aktenzeichens wieder aufgegriffen worden. Die Klägerin vertritt die Ansicht, nur wenn das Bayerische Landessozialgericht das Verfahren wieder aufnehme, könne sie zu einer höheren Rente kommen. Sie bringt vor, der Vergleich sei ihr abgenötigt worden. Außerdem dürfe ein Verfahren nicht in einem nichtöffentlichen Termin beendet werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Berufungsverfahren L 1 R 706/08 in der Sache wieder aufzunehmen und ihr unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 7. Juli 2008 eine höhere Regelaltersrente zuzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 1 R 706/08 durch den Prozessvergleich vom 08.10.2008 erledigt ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten des Bayerischen Landessozialgerichts im Verfahren L 1 R 706/08 und im vorliegenden Verfahren verwiesen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Dem Begehren der Klägerin, das Berufungsverfahren L 1 R 706/08 in der Sache wieder aufzunehmen, kann nicht entsprochen werden. Dieses ist vielmehr durch Prozessvergleich vom 08.10.2008 erledigt worden; Gründe für eine Wiederaufnahme liegen nicht vor.
Weder für das Jahr 2008 noch für das Jahr 2010 existieren Hinweise auf eine mögliche Prozessunfähigkeit der Klägerin.
Im Rahmen des Erörterungstermins am 08.10.2008 ist ein wirksamer, das Verfahren beendender Prozessvergleich geschlossen worden. Insbesondere sind die formalen Wirksamkeitsvoraussetzungen (Protokollierung, Vorlesen, Genehmigung) erfüllt. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann ein wirksamer Prozessvergleich auch in einem nicht öffentlichen, insbesondere in einem Erörterungstermin, geschlossen werden.
Der Prozessvergleich ist weder aufgrund unlauteren Prozessverhaltens des Berichterstatters im Erörterungstermin von Anfang an nichtig, noch ist er deswegen nachträglich durch Erklärung der Klägerin wieder beseitigt worden. Der Senat kann dahin stehen lassen, unter welchen Voraussetzungen ein Prozessvergleich wegen Willensmängeln einer Partei nichtig oder zumindest beseitigbar sein kann. Denn entsprechende Willensmängel oder ein zu missbilligendes suggestives Verhalten des Gerichts lassen sich nicht feststellen. Dafür, dass der Klägerin der Vergleichsschluss "abgenötigt" worden ist, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Konkrete Umstände, die auf eine missbilligenswerte Willensbeeinflussung hindeuten könnten, hat die Klägerin zu keiner Zeit vorgetragen; sie beschränkt sich vielmehr auf die bloße Wertung, der Vergleich sei durch Nötigung zustande gekommen. Im Gegenteil weisen die verhältnismäßig lange Dauer des Erörterungstermins von 35 Minuten sowie die in der Niederschrift festgehaltenen rechtlichen Ausführungen des Berichterstatters darauf hin, dass gerade kein "kurzer Prozess" gemacht worden ist, sondern dieser sich mit dem Begehren der Klägerin eingehend befasst hat. Eine wie auch immer geartete Überrumpelung der Klägerin kann nicht angenommen werden, da diese im Erörterungstermin durch den VdK fachkundig vertreten war; d...