Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht: Tätigkeit einer Krankenschwester als Pflegerin und Betreuerin für einen ambulanten Pflegedienst
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit im Pflegebereich.
Orientierungssatz
1. Ergeben sich die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen einer ausgebildeten Krankenschwester und einem privaten ambulanten Pflegedienst aus einem Kooperationsvertrag und sieht dieser im Wesentlichen vor, dass die Krankenschwester vom Pflegedienst Einzelaufträge erhält, so hat eine Bewertung der Tätigkeit am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze an den Bedingungen der konkreten Einsatzaufträge zu erfolgen (BSG, 18. November 2015, B 12 KR 16/13 R). Danach sind maßgebend die Verhältnisse nach Annahme - also bei Durchführung - des einzelnen Auftrags (vgl. BSG, 25. April 2012, B 12 KR 24/10 R).
2. Auch für die Beurteilung der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation ist auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des jeweiligen "Einzelauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl. BSG, 28. September 2011, B 12 R 17/09 R).
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17. Februar 2016 - S 56 R 1475/15 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2014 idG des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2014 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin und Berufungsbeklagten (in der Folge: Klägerin) für den Beigeladenen zu 1 (in der Folge: Beigeladener) nach § 7a SGB IV in der Zeit seit 1.12.2012.
Die 1952 geborene Klägerin ist ausgebildete Krankenschwester mit umfassender Berufserfahrung im stationären und ambulanten Bereich. Sie verfügt weiter über langjährige Erfahrung mit kranken Menschen in der außerklinischen Intensivpflege mit Schwerpunkt Beatmungspflege sowie über vertiefte Kenntnisse über die Versorgung von Patienten, die außerhalb der Klinik beatmet und intensiv versorgt werden müssen. Die Klägerin ist als Gesundheits- und Krankenpflegerin in der Medizinalpersonenkartei der zuständigen Behörde gemeldet (Art 12 und 16 Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz, GDVG). Sie geht außerdem einer abhängigen Beschäftigung beim CPD-Intensivpflegedienst nach. Die Klägerin beschäftigt seit 2014 eine Pflegehelferin, die sie im Rahmen der vorliegend streitigen Beschäftigung allerdings nicht einsetzte.
Der Beigeladene ist ein ambulanter Pflegedienst, der auf die Bereitstellung von Dienstleistungen im Bereich der ambulanten Versorgung von tracheotomierten und langzeitbeatmeten Menschen spezialisiert ist. Mit ihm schloss die Klägerin am 15.11.2012 für die Zeit ab 1.12.2012 einen Kooperationsvertrag (vgl Bl 22 ff der Beklagtenakte) über die Rahmenbedingungen einer künftigen Geschäftsbeziehung. Danach erbringt die Klägerin unter der Voraussetzung der Auftragserteilung bzw Auftragsaufnahme im Einzelfall im Wesentlichen folgende Leistungen, wobei der Umfang der konkret beauftragten Tätigkeiten, wenn sie vom folgenden Leistungskatalog abweichen, im einzelnen Auftrag schriftlich festzulegen ist:
* Überwachung und Kontrolle, der für den jeweiligen Klienten notwendigen medizinischen Geräte;
* Beratung und Anleitung des Klienten und dessen Angehörigen in fachpflegerischen Fragen;
* ganzheitliche, fachpflegerische Versorgung des Klienten;
* Ermittlung fallspezifischer Daten und Gegebenheiten im Bereich des Klienten, die für die weitere Beratung/Behandlung von Bedeutung sein könnten;
* Beratung des Beigeladenen in speziellen Fachfragen;
* Kommunikation zwischen Beigeladenem und Klient und anderen Stellen, soweit notwendig nach eigenem Ermessen des Beigeladenen.
Die Klägerin ist verpflichtet, die Einzelaufträge in eigener Person durchzuführen, ausnahmsweise durch Dritte, wenn der Beigeladene einverstanden ist. Der Ort der Auftragsdurchführung richtet sich nach den Bedürfnissen des Klienten (III. des Kooperationsvertrages). Zur Auftragsabwicklung (IV. des Kooperationsvertrages) ist vereinbart, dass die Klägerin nach eigenem Ermessen ihre zeitlichen und fachlichen Kapazitäten anbietet, die sie dem Beigeladenen zur Verfügung stellen will. Soweit das Angebot mit dem Tätigkeitsbedarf des Beigeladenen übereinstimmt, unterbreitet dieser der Klägerin ein schriftliches Angebot, aus dem sich das Auftragsvolumen in zeitlicher und fachlicher Hinsicht ergibt. Dieses kann die Klägerin schriftlich annehmen oder ablehnen. Im Fall der Auftragsannahme hat die Klägerin mitzuteilen, ob sie den Auftrag persönlich oder durch Dritte ausführt, wobei der Beigeladene berechtigt ist, die Ausführung durch einen Dritten abzulehnen. Die Klägerin ist verpflichtet, den Auftrag eigenständig und professionell unter Berücksichtigung des aktuellen Fach- und Wissens...