Leitsatz (amtlich)
Für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV ist der Nachweis einer durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische hervorgerufenen Polyneuropathie oder Enzephalopathie erforderlich.
Asymetrische, multifokale, rein motorische oder autonome Neuropathien schließen eine Verursachung durch Lösungsmittel weitgehend aus.
Für den Nachweis einer toxischen Enzephalopathie ist eine Objektivierung in psychologischen Testverfahren erforderlich. Die in den Testverfahren gezeigten Einschränkungen müssen sich stark behindernd auf die Alltagsbewältigung auswirken, um glaubhaft zu sein.
Zum Fragrecht der Beteiligten an die Gutachter.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts W. vom 08.09.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) bzw. 13xx der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung.
Am 26.04.2001 ging bei der Beklagten eine ärztliche Anzeige des Nervenarztes Dr. B. über eine Berufskrankheit des Klägers ein, in der ausgeführt wird, der Kläger leide an einer Neuropathie, einer schweren Myopathie, einer schweren Ataxie, einer schweren Leistungsminderung und zunehmenden chemischen Überempfindlichkeit.
Der Kläger gab in einem Fragebogen zu seinem beruflichen Werdegang an, er sei von 1970-1987 selbstständiger Landwirt gewesen, habe dann von 1987 bis 1989 als Keramik-Mitarbeiter und von 1989 bis 1992 als Lkw-Fahrer gearbeitet. Seit 1992 sei er bei der Firma H. als Maschinenführer tätig. Er komme dort mit Härtern, Leim und Lösungsmitteln sowie Lärm in Kontakt. Im November 2000 gab der Kläger diese Tätigkeit auf.
Die Beklagte holte ein Krankheitsverzeichnis der Krankenkasse sowie verschiedene Befundberichte ein, unter anderem einen Reha-Entlassungsbericht der Rentenversicherung vom 07.04.1998. Aus diesem Entlassungsbericht ergibt sich, dass der Kläger wegen eines chronisch rezidivierenden HWS-Syndroms und eines statisch-funktionellen LWS-Syndroms in Behandlung gewesen ist. Unter Punkt 6. 3 wird ausgeführt: "Neurologischer Befund: Keine neurologischen Reiz- und Ausfallerscheinungen". In einem weiteren Reha-Entlassungsbericht der Rentenversicherung vom 10.04.2000 werden die gleichen Diagnosen gestellt. Unter 6.3, neurologischer Befund, wird ausgeführt: "An den oberen und unteren Extremitäten sensible Qualitäten, Reflexe und Motorik seitengleich normal. Kein Hinweis auf gestörte Koordinationsfähigkeit. Lasègue-Zeichen beidseits negativ".
Die Beklagten zog zudem die Sicherheitsdatenblätter der Stoffe bei, mit denen der Kläger an seinem Arbeitsplatz bei der H. GmbH in Berührung gekommen war (insbesondere Dynomel L-425, L-435 und Härter H-467, H-469).
Zudem holte die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. L. zur weiteren Steuerung des Feststellungsverfahrens ein. Dr. L. (Facharzt für Arbeitsmedizin) analysierte die vorliegenden ärztlichen Befundberichte und Sicherheitsdatenblätter und führte unter dem 27.08. 2001 aus, das, was sich im bisherigen Berufsleben des Klägers feststellen lasse, ergebe kein schlüssiges Bild, wenn man den Fall von der Schadstoffexposition her aufwickle. Auch ergäben sich kaum seriöse Ermittlungsvorschläge. Aus den vorliegenden Unterlagen lasse sich kein BK-typisches Krankheitsbild erkennen.
Das Gewerbeaufsichtsamt W. gab am 20.09.2001 eine gewerbeärztliche Stellungnahme durch Dr. R. ab, aus der sich ergibt, dass allenfalls eine BK nach Nummer 1317 infrage komme, da der Kläger selbst einen Zusammenhang zwischen seinen Beschwerden und seinem Kontakt zu Leimen und Härtern, Lacken und Farben angenommen habe. Dieser Kontakt habe seit 1992 bestanden. In den zuvor ausgeübten Tätigkeiten sei eine Belastung im Sinne einer BK-Nr. 1317 nicht plausibel. Die mit einer BK 1317 zu vereinbarenden Diagnosen seien lediglich im Arztbrief Dr. B. enthalten. Die dort gestellten Diagnosen seien anhand des Arztbriefes selbst nicht schlüssig nachvollziehbar, es liege keine differenzierte, objektivierbare neurologische Untersuchung vor mit Ausnahme einer konsiliarischen testpsychologischen Untersuchung, die für sich allerdings keine sicheren Rückschlüsse auf ein Krankheitsbild im Sinne einer BK 1317 erlaube. Aus den sonstigen aktenkundigen ärztlichen Angaben und Arztbriefen ergebe sich kein Hinweis auf eine eigentliche neurologische Erkrankung passend zur BK 1317. Zweifelsfrei gesichert sei ausschließlich ein Cervicalsyndrom und ein cervikocephales Syndrom in der Folge eines Unfalls im September 1990. Beschrieben sei außerdem auch ein LWS-Syndrom sowie eine beginnende Coxarthrose beidseits und eine Depression 1990.
Mit Bescheid vom 08.11.2001 (Widerspruchsbescheid vom 14.12.2001) lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit der Zifferngruppe 13 de...